Meinung

Contra: Eine CDU-Ministerpräsidentin für Thüringen wäre das falsche Signal

Der Vorschlag von Bodo Ramelow, seine CDU-Amtsvorgängerin Christine Lieberknecht solle für eine Übergangszeit Thüringen regieren, ist die falsche Antwort auf die Krise. Die CDU würde für ihr skupelloses Wahlbündnis mit der AfD mit dem Ministerpräsidentenamt belohnt werden.
von Lars Haferkamp · 18. Februar 2020
Christine Lieberknecht: Die CDU-Politikerin war von 2009 bis 2014 Ministerpräsidentin des Freistaates Thüringen.
Christine Lieberknecht: Die CDU-Politikerin war von 2009 bis 2014 Ministerpräsidentin des Freistaates Thüringen.

Die Chance, aus einem Fehler zu lernen, hat nur der, der seinen Fehler als solchen erkennt. Sollte das fehlerhafte Verhalten jedoch am Ende belohnt werden und sich damit letztlich als erfolgreich erweisen, ist die Gefahr groß, dass sich der Fehler wiederholt.

Die Wähler*innen wollten keinen CDU-Regierungschef

Das gilt auch für die CDU und ihr heimliches Wahlbündnis im Thüringer Landtag mit AfD und FDP bei der Wahl von Thomas Kemmerich. Sollte sich der Ramelow-Vorschlag durchsetzen, nach dem das Land künftig von CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht für eine Übergangszeit regiert wird, hätte die CDU einen großen Erfolg erzielt. Denn nichts liebt die Thüringer CDU so sehr wie die Macht – das hat sie in den letzten Wochen auf das deutlichste bewiesen.

Die Wählerinnen und Wähler wollten nicht, dass eine CDU-Politiker*in Ministerpräsident*in wird. Die CDU erhielt bei der letzten Landtagswahl 21,7 Prozent. Sie verlor mit 11,8 Prozent erdrutschartig und kam lediglich auf den dritten Platz. Aktuelle Umfragen sehen die CDU bei nur noch 13 bis 12 Prozent. Es würde dem Wählerwillen Hohn sprechen, dieser Partei nun das Ministerpräsidentenamt zu überlassen.

Christine Lieberknecht wurde 2014 abgewählt

Christine Lieberknecht ist – bei allen Verdiensten, die sie um das Land hatte – eine politisch gescheiterte und darum abgewählte Regierungschefin. So haben es die Wähler*innen bei der Wahl 2014 entschieden. Dieser Wählerwille sollte nun nicht in sein Gegenteil verkehrt werden.

Eine CDU-Politikerin in der Staatskanzlei, das hat nichts mit einer „technischen Regierung“ zu tun, die immer wieder vorgeschlagen wurde. Eine solche Regierung, wäre eine der Experten*innen, aber keine der Partei-Politiker*innen.

Wahlhilfe für die CDU

Österreich hat vorgemacht wie so etwas geht: Die parteilose (!) Brigitte Bierlein, Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes, amtierte ein halbes Jahr als Kanzlerin, um nach dem Bruch der ÖVP-FPÖ-Koalition Stabilität bis zu den Neuwahlen und der Wahl eines neuen Kanzlers zu sichern. Das so genannte „Wiener Modell“ würde aber nun in Erfurt ausdrücklich nicht praktiziert werden, wenn eine CDU-Politikerin Regierungschefin würde.

Das in Thüringen ins Auge gefasste Modell hätte auch Auswirkungen auf die nächste Wahl. Denn natürlich würde es die Wahlchancen der CDU verbessern, wenn Christine Lieberknecht als Ministerpräsidentin die Regierungsfähigkeit und Seriosität ihrer Partei den Wählern demonstrieren könnte. Das wäre nichts anderes als Wahlhilfe für die CDU.

Wann kommen Neuwahlen wirklich?

Und dann wäre da noch die Frage: Wann kommt es denn wirklich zu Neuwahlen in Thüringen? An denen hat die CDU bekanntlich kein Interesse. Dieses Interesse dürfte noch kleiner werden, wenn die Christdemokraten*innen erst mal eine der Ihren als Ministerpräsidentin installiert hätten. Denn jeder Tag, den sie im Amt wäre, würde der CDU helfen, ihr niederträchtiges Verhalten bei der Wahl von Thomas Kemmerich mit FDP und AfD vergessen zu machen.

Genau das darf aber nicht geschehen. Wenn unsere Demokratie wieder gesunden soll, nach dem Schaden den ihr CDU, FDP und AfD gemeinsam zugefügt haben, dann muss die CDU Gelegenheit haben, ihr Fehlverhalten zu korrigieren. Und die bekommt sie nur, wenn sich Bode Ramelow erneut zur Wahl stellt, und die CDU – spätestens im dritten Wahlgang – zeigen kann, ob sie aus ihren Fehlern gelernt hat.

Pro: vorwärts-Redakteur Benedikt Dietrich hält die Wahl der CDU-Politikerin Christine Lieberknecht zur Ministerpräsidentin Thüringens dagegen für einen vernünftigen Vorschlag.

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