Meinung

Brexit: Warum es keinen Deal zwischen der EU und Großbritannien geben wird

Die Europäische Union und Großbritannien haben sich auf einen Vertragsentwurf für den Brexit geeinigt. Einen Deal zwischen beiden Seiten wird es dennoch nicht geben. Zu groß sind die Interessen einer kleinen Gruppe, die unbedingt raus will aus der EU.
von Kay Walter · 15. November 2018
Wo ist der Ausgang? Zu einem Brexit-Deal zwischen der EU und Großbritannien wird es nicht kommen, meint Kay Walter.
Wo ist der Ausgang? Zu einem Brexit-Deal zwischen der EU und Großbritannien wird es nicht kommen, meint Kay Walter.

Die schlichte Wahrheit in Sachen Brexit lautet: Es gibt keinen Deal und es wird auch kein Deal zustande kommen. Es kann keine Vereinbarung geben, die sowohl von der EU als auch von Befürworten eines klaren und harten Brexits unterschrieben würde. Ausgeschlossen. Der Grund dafür ist schlicht: Die Positionen von harten Brexiteers und von Politikern in Kontinentaleuropa sind unvereinbar. Das ist mit Verlaub schließlich der entscheidende Grund, warum überhaupt ein Brexit-Referendum stattgefunden hat.

Mit billigen Ressentiments für den Brexit

Es gibt eine nicht ganz kleine Gruppe britischer Politiker, die um jeden Preis die EU verlassen will. Reaktionäre reinsten Wassers – ob nun Nigel Farage oder Boris Johnson macht keinen Unterschied – träumen sie von der Rückkehr zum britischen Empire und fabulieren ihren Mitbürgern absurde Phantasmagorien vor, die von einer Wiederauferstehung der britischen Wirtschaftskraft und der Rückgewinnung der nationalen Souveränität handeln. Kein Ressentiment ist zu abgedroschen, dass es nicht ins Feld geführt würde – ob nun rumänische „Zigeuner-Diebesbanden“, polnische „Billig-Arbeiter“ oder die „Herrschsucht der deutschen Nazis“.

Dabei wissen die Befürworter eines harten Brexits selbst ganz genau, dass das völliger Unsinn ist, ahistorisch und in einer globalisierten Welt auch ökonomisch unmöglich. Aber das interessiert sie nicht. Muss es auch nicht, denn sie sind so begütert, dass ein Ausstieg Großbritanniens aus der EU ihr persönlicher Schaden nicht wird. Die restlichen 95 Prozent der Briten werden dagegen die Zeche zahlen müssen.

Die reichen Briten füchten die EU

Halt werden jetzt viele sagen, geht es nicht auch eine Nummer kleiner? Und: Nicht so übertreiben. Das Bittere ist: Da ist nichts übertrieben. Die Brexit-Kampagne ist nachweislich von den mit Abstand reichsten Familien Großbritanniens finanziert worden. CEOs von Versicherungen waren dabei, Besitzer von Hotelketten, Finanzdienstleister oder Hedge-Fonds-Manager. Sie sind nicht einmal davor zurückgescheut, der Premierministerin mehr Geld dafür anzubieten, sollte sie den Brexit möglichst hart und schnell durchziehen.

Und das ist kein Zufall. Diese Menschen fürchten gemeinsame Standards und Regeln in Europa, vor allem solche, die arbeitenden Menschen nutzen. Sie wollen partout verhindern, dass ihnen Lohn- und Steuerdumping verboten werden. Sie wollen sich nicht damit abfinden, ihren enormen Reichtum überhaupt regulär versteuern zu müssen. Deshalb wollen sie raus aus Europa, koste es, was es wolle.

Kampf gegen einen Deal mit harten Bandagen

Sie fürchten an Europa vor allem das, was es werden könnte und was es sein sollte: ein Verbund von Staaten, der die gleichen sozialen Rechte für alle seine Bürger garantiert und durchsetzt, der ihnen überall und kostenlos Zugang zu guter Bildung verschafft, der für sichere Arbeitsplätze mit Zukunft und angemessener Bezahlung sorgt und für sichere Renten. Ein Europa der Menschen.

Sie wollen keinen Deal und kämpfen mit harten Bandagen. Deshalb sind am Morgen nach dem Kabinettsbeschluss für das Brexitabkommen bereits zwei Minister und zwei Staatssekretäre zurückgetreten. Weitere werden ziemlich sicher folgen. Und sie werden die notwendige Zustimmung des britischen Parlaments zum Vertragsentwurf verhindern.

Europa sollte die Krise nutzen

Theresa May versucht ihrerseits, die Mitglieder ihrer eigenen Partei mit dem Vertragsentwurf zu erpressen: Nehmt ihn an, sagt sie, oder es gibt gar keinen Vertrag und wir verlieren alle. Oder ihr stürzt mich und dann gibt es nicht nur Neuwahlen (Ausgang ungewiss), sondern auch ein neues, zweites Brexit-Referendum mit dem Ergebnis, dass Großbritannien dann womöglich doch Mitglied der EU bliebe. Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass auch die Parteispitze von Labour endlich zur Besinnung käme.

Die EU wiederum, hat mit dem Vertragsentwurf Fakten geschaffen und drückt weiter aufs Tempo. Hinter das, was auf diesen 585 Seiten steht, kann jetzt niemand mehr zurück. Auch das bedeutet „no deal“. Und noch etwas: Das Beste für Europa wäre, es würde die Krise nutzen und sich vorwärts entwickeln zu einem sozialeren und gerechteren Bund.

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