Meinung

Antieuropäische Fake-News: Der „Fischstäbchenskandal“ der EU

Der Vorwurf hat es in sich: Polens Lech Kaczynski und Ungarns Victor Orban behaupten, die Westeuropäer missbrauchten die Bürger Osteuropas als „Mülleimer“ für minderwertige Lebensmittel. Ein wissenschaftlicher Bericht zeigt nun: An den Vorwürfen ist nichts dran. Sie sind schlicht Fake-News.
von Kay Walter · 9. Juli 2019
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Erinnern Sie sich? 2017 beschwerten sich osteuropäische Politiker, allen voran Polens Lech Kaczynski und Ungarns Victor Orban, die Westeuropäer würden systematisch mangelhafte Lebensmittel an Osteuropas Bürger liefern. Die Menschen im Osten würden diskriminiert, erhielten zwar die nämlichen Verpackungen wie der Westen, aber minderwertigen Inhalt. „Zweiklassengesellschaft“ war einer der harmloseren Vorwürfe. Man werde als „Mülleimer missbraucht“, ja von „Lebensmittelrassismus“ war die Rede.

Jean-Claude Juncker sorgte für Aufklärung

Tests hätten zweifelsfrei ergeben: Im östlichen Fischstäbchen stecke weniger Fisch, dafür in der Ost-Wurst mehr Fett, Knorpel und Wasser statt Fleisch. Tütensuppen enthielten weniger Fleischkrümel, Nutella habe eine andere Rezeptur und überhaupt sei das einer der größten Skandale der jüngsten Vergangenheit.

Der Fischstäbchen-Skandal nahm seinen Lauf. Und er war so groß und wichtig, das Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner state-of-the-union-Rede 2017 das Thema explizit ansprechen und dabei versprechen musste, dem Problem ernsthaft nachzugehen.

Gutachten: Es gibt null Belege

Nun erschien jüngst der wissenschaftliche Bericht zum Thema da. Ergebnis: Alles Fake-News! In identischer oder ähnlicher Verpackung verkaufte Produkte sind europaweit im Wesentlichen auch identisch. Erst Recht erhält keine Region systematisch andere Produkte. Es gibt null Beleg für solche Thesen, weder in dieser wissenschaftlichen Untersuchung im Auftrag der Kommission, noch in irgendeiner anderen Studie. Eine knappe Millionen Euro hat der Spaß gekostet.

Es wäre trotzdem zum Lachen, hätte das ganze nicht Methode. Man könnte Witze reißen, dass die formidablen Körper von Orban und Kaczynski Anlass zu der Vermutung geben, sie hätten sich deshalb so erregt, weil sie sich mit minderwertigem fast-food aller Art extrem gut auskennen. Aber das trifft es leider nicht.

Die üble Methode der Populisten

Denn die Methode funktioniert. Es braucht nur ein völlig beliebiges Thema – selbst Fischstäbchen taugen – und ein klares Feindbild. Dann regt man sich mächtig auf, völlig künstlich, und schreit: Die Bösen betrügen uns mal wieder. Und die „gesteuerte Presse“ sagt eh nie was wirklich ist. Fertig ist die nächste Kampagne. Ob irgendetwas davon stimmt? Vollkommen egal. Hauptsache es gibt die bösen Anderen (möglichst Eliten) und die „Lügenpresse“.

Ob Orban, Trump oder Gauland, alle verfahren sie nach diesem Schema. Das Motto lautet: Irgendwas wird schon hängen bleiben. Und wenn ihnen ihre Lügen dann nachgewiesen werden, dann haben sie das nicht so gesagt oder gemeint und treiben die nächste Sau durchs Dorf, nach genau demselben Schema. Man wird ja wohl noch sagen dürfen… Und überhaupt: könnte ja doch stimmen, wer weiß? Wenn es nicht so gefährlich wäre, müsste man wirklich einfach drüber lachen.

 

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Kay Walter

ist freiberuflicher Journalist.

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