Kultur

Zocken auf Socken

von Die Redaktion · 24. August 2007
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Tief unter mir das schneebedeckte Tal, über mir Berge, die Ampel schaltet auf grün, ich sause die Rampe herunter und setze an zum Sprung, die Skier neigen sich nach oben, schnell und hart die Landung. Gute Haltungsnoten gab es dafür nicht, auch nicht in der virtuellen Welt am Stand des Konsolenherstellers Nintendo auf der Games Convention(GC) in Leipzig, wo dieser Sprung zu beobachten war.

Die japanische Firma präsentiert auf der Messe die "Wii fit", eine Spielkonsole mit einer art elektronischer Fußmatte, die die Bewegungen des Körpers in das Spiel überträgt. Nur mit weißen Tennissocken an den Füßen stehen ein Dutzend Spieler vor den Bildschirmen, verrenken sich bei virtuellem Yoga, lassen die Hüften beim Hula-Hoop kreisen oder trainieren den Telemark beim Skispringen. Der außenstehende Beobachter nimmt es mit einem Grinsen zur Kenntnis.

"Wii fit" ist eines von zahlreichen neuen Produkten, die auf Europas größter Messe für elektronische Spiele präsentiert werden. Mehr als 200 000 Besucher werden an den vier Messetagen erwartet. An tausenden von Konsolen können sie das Neueste ausprobieren, was die Zocker-Branche zu bieten hat.

Das Geschäft mit elektronischen Spielen brummt. Allein in Deutschland stieg der Umsatz im letzten halben Jahr um 17 Prozent auf eine halbe Milliarde Euro, und das Weihnachtsgeschäft kommt erst noch.

Trotz der guten Zahlen hat die Computerspielebranche nicht gerade ein gutes Image. Erst kürzlich, nach dem gescheiterten Amoklauf im nordrhein-westfälischen Emsstetten, wurde wieder über den Zusammenhang von Gewalt verherrlichenden Computerspielen und tatsächlicher Gewalt diskutiert. Wieder tauchte das Klischee des blassen jugendlichen Einzelgängers in den Medien auf, der sich in nächtelangen Zockerpartien mit virtuellen Monstern, Terroristen oder sonstigen elektronischen Übeltätern auseinandersetzt und dabei mitunter den Hang zur Realität verliert.

Spiele für Nichtspieler

Ein Klischee, welches sich auf der Games Concention leicht bestätigen lässt. Die Mehrzahl der Besucher ist jung und männlich. In langen Schlangen warten viele an den Aussteller-Ständen, um die neuesten Ballerspiele mit klingenden Namen wie "The Eye of Evil", "Devil May Cry" oder "Dragon Blade" zu spielen. Das ist aber nur die eine Seite der Messe.

Offenkundig ist der Versuch der Spiele-Branche, ihr Image zu verbessern, wohl auch um sich neue Zielgruppen zu erschließen. Es gebe eben nicht nur "strange Spiele", sagt der Chef von Nintendo-Deutschland, Bernd Fakesch. Mit dem virtuellen Heimtrainer "Wii fit" will seine Firma die "breite Öffentlichkeit" erreichen.



Spiel und Familie


Nintendo setzt seit einiger Zeit auf familiengerechte Spiele, so genannte "Casusal Games", die auch für wenig geübte Nutzer leicht zu bedienen sind. Es sind vor allem Geschicklichkeits- und Denkspielchen. Die neue Strategie zahlt sich für den Konzern aus: Der Umsatz stieg zuletzt um das Fünffache.

Auch andere Hersteller haben den Trend zu "Casual Games" erkannt. Nintendo-Konkurrent Sony präsentiert in Leipzig die neueste Version seines Karaoke-Spiels "Singstar": Die ganze Familie kann hier zum Gesangsduell vor den Fernseher treten.

Auch das GC-Family Center zeugt vom Bemühen der Veranstalter, dem Baller-Image zu entkommen. In einer eigenen Messehalle können Eltern und Kinder hier gemeisam spielen. Geschulte Medienpädagogen geben Auskunft über Inhalte und Tipps, wieviel Zeit Kinder vor dem PC verbringen sollten.

Während es in den anderen Hallen an der jeder Ecke ohrenbetäubend laut kracht und rummst, geht es hier ruhig zu. Das Interesse ist überschaubar. Großer Andrang dagegen am Stand der Firma Blizzard eine Halle weiter: Ein "World of Warcraft"- Tunier steht an.

Karsten Wiedemann

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