Altersarmut ist kein Problem von morgen. Schon heute sind mehr Menschen im Alter von Armut betroffen, als es die Öffentlichkeit wahrnimmt. Was die Politik dagegen tun kann und sollte, darüber diskutierten auf der Frankfurter Buchmesse der Buchautor Christoph Butterwegge und Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann.
Peter Feldmann ist ein bescheidener Mensch, und er ist höflich. So steuerte der Oberbürgermeister von Frankfurt am Main zunächst die Zuschauer an, um sie persönlich mit einem Händedruck zu begrüßen. Erst dann nahm er neben seinem Diskussionspartner, dem Wissenschaftler Christoph Butterwegge, auf der Bühne Platz. Das Thema an diesem Mittwoch: „Armut im Alter. Probleme und Perspektiven sozialer Sicherung“.
Der Wissenschaftler und Autor des gleichnamigen Buches, Christoph Butterwegge, ärgert das Herunterspielen des Problems: „Sich damit zu beruhigen, dass derzeit nur 2,5 Prozent der älteren Bevölkerung auf soziale Grundsicherung angewiesen seien, ist fragwürdig. Viele ältere Menschen schämen sich, diese staatliche Hilfe zu beantragen“, so Butterwegge.
Auch Feldmann sieht Altersarmut als ein bereits gegenwärtiges Problem an. „In den letzten fünf Jahren haben sich bei uns in Frankfurt die Anträge um Sozialhilfe im Rentenalter verdoppelt“, weiß er zu berichten. Wie das in einer reichen Stadt wie Frankfurt am Main sein könne, wird der Oberbürgermeister gefragt. „Wir sind eine Stadt, in der viele das Buch ‚Forever young’ gekauft haben, das Glauben macht, man könne durch Joggen dem Altwerden entkommen“, antwortet Feldmann. Die Gesellschaft habe verdrängt, dass Altern zum Leben dazu gehöre. Ältere würden zudem zunehmend isoliert, weil die Jungen es uncool finden würden, mit alten Menschen umzugehen.
Zu wenig für die Rente
Dem stimmt Butterwegge zu und sieht darin einen wesentlichen Grund für die zunehmende Armut im Alter: „Wenn Menschen im Alter als unproduktiv gelten, dann werden die Alten nicht nur moralisch abgewertet. Dann macht sich das auch finanziell bemerkbar“, warnt der Wissenschaftler. Die wesentliche Schuld dieser Entwicklung sieht Butterwegge in der Politik, die die Ausweitung des Niedriglohnsektors ermöglicht hat und schildert aus der Praxis: „Eine Studentin von mir arbeitet nebenbei in einem Schuhgeschäft. Neben dem Filialleiter sind dort insgesamt 16 Mini-Jobber beschäftig. Daraus können keine Renten entspringen“, kritisiert er. Den von der SPD geforderten Mindestlohn von 8,50 Euro hält der Wissenschaftler für unzureichend und plädiert für eine Bezahlung von über zehn Euro pro Arbeitsstunde. Auch die geplante Absenkung des Rentenniveaus sieht er kritisch: „Damit wird die Rente in Zukunft noch seltener ausreichen“, so Butterwegge.
Feldmann, ganz Kommunalpolitiker, besinnt sich vor allem auf die Punkte, die er als Oberbürgermeister Frankfurts anstoßen kann. Ihm geht es vor allem um die Unterstützung vor Ort: Wir müssen heute daran gehen, in jedem Stadtteil dieser Stadt wieder Treffpunkte, die in der Vergangenheit aus Kostengründen wegrationalisiert wurden, wiederherzustellen“, so Feldmann. Treffpunkte, in denen es Ansprechpartner gebe, in denen sich die Menschen gesund ernähren könnten. „Mein Ziel sei es, dass in Frankfurt wieder jeder in Würde alt werden kann“, so der Oberbürgermeister.
Info
Christoph Buterwegge: Armut im Alter. Probleme und Perspektiven der sozialen Sicherung, Campus Verlag, 393 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-593-39752-8
ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2013 hat sie beim vorwärts volontiert.