Mehrere hundert Millionen Suchanfragen werden weltweit täglich von Google bedient. Drei Viertel der deutschen Internetnutzer benutzen eine Suchmaschine. Nahezu alle Journalisten verwenden
Suchmaschinen für die Recherche. Um der stetig wachsenden Informationsflut im Internet Herr zu werden, sortieren Suchmaschinen die Eintragungen vor. Sie erhalten dadurch eine Orientierungsfunktion,
werden zum "Gatekeeper", denn sie bestimmen nicht nur die Vermittlung von Wissen, sie bestimmen auch die Auswahl. Damit kommt ihnen eine Macht bei der Meinungsbildung zu, die - so der Leipziger
Professor Marcel Machill - noch völlig unterschätzt wird.
US-Unternehmen beherrschen deutschen Internet-Suchmarkt
Auf der medienpolitischen Konferenz der
Friedrich-Ebert-Stiftung zur "wachsenden Macht der Suchmaschinen im Internet", wies Machill darauf hin, dass das Internet selbst zwar
dezentral aufgebaut und mit einer unüberschaubaren Informationsvielfalt ausgestattet sei. Aber die großen Suchmaschinen als Informationsfilter seien zentralisiert auf einige US-Unternehmen. Mehr
als 90 Prozent des deutschen Internet-Suchmarktes teilen sich derzeit drei US-Unternehmen, davon allein hält Google einen Marktanteil von 67 Prozent. Gemessen am Börsenwert zählt Google als
wertvollstes Medienunternehmen der Welt.
Diese wachsende Macht der Suchmaschinen und deren Auswirkungen auf die Nutzer, die Medienpolitik und den Online-Journalismus sei noch weitestgehend unerforscht, betonte Machill. Besonders
problematisch sei, dass die Auswahlkriterien bei der Aufbereitung der Informationen nicht transparent seien. Angesichts der Informationsfülle seien "Rankings" zwar notwendig, doch es ist nicht
ersichtlich, wie diese Reihenfolge zustande komme.
Wie verlässlich sind Suchergebnisse?
Was die drei Suchmaschinen nicht finden oder auf den ersten Ergebnisplätzen präsentieren, ist für die Mehrzahl der Nutzer nicht existent. Damit befinden sich die Suchmaschinen als Filter der
Internetangebote in der Verantwortung, Lösungen für ein sinnvolles Filtern zu finden und illegale Angebote auszusortieren aber gleichzeitig auch einen freien Informationszugang zu ermöglichen. Der
Schutz von Minderjährigen muss gewahrt und Nutzerdaten geschützt sein, das copyright darf nicht verletzt werden und illegale Inhalte müssen aussortiert werden.
Wer übernimmt die Regulierung?
Wenn sich, wie die Pressesprecherin von Google England, Rachel Whetstone, betont, Google lediglich als Internetregister definiert und nicht als Schiedsrichter im Internet, bedeutet dies,
"dass der Nutzer bei Google auch Dinge findet, die er ablehnt." Es sei, so Whetstone, "die Realität des Internets, das Menschen dort Inhalte ablegen, die Sie mögen oder nicht, das ist
Ansichtssache." Google, so Whetstone biete lediglich eine Serviceleistung an und überlasse es der Verantwortung des Nutzers, ob dieser sie beanspruche oder nicht.
"Diese Einstellung sei zu bescheiden", urteilte der Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, Professor Dr. Norbert Schneider. Verantwortung sei nicht, dass der Nutzer sie hat und der
Produzent nicht, so sein Einspruch. Für ihn stelle sich die Frage, ab wann eine gesellschaftliche Entwicklung nicht mehr einholbar sei und ob eine Selbstregulierung durch die Nutzer auch in Zukunft
ausreiche?
Online-Journalismus - Die Überschrift entscheidet
Suchmaschinen sind eine wichtige Recherche-Quellen von Journalisten geworden und nehmen damit auch Einfluss auf den Journalismus. Die Verlässlichkeit der Suchergebnisse kann entscheidend sein
für die Qualität der Nachrichten. Nic Newman, Leiter der BBC News Interactive, beschreibt, dass es inzwischen kleine, personell schlecht ausgestattete Redaktionen gebe, die Google als einzige
Quelle nutzen. Dies sei eine fatale Entwicklung, denn die Erfahrung zeige, dass die Ergebnisse von Google eben nicht die "gute journalistische Praxis" ersetzen können. Journalisten müssten nach wie
vor gut und ausgewogen berichten, so Newman, Google könne da nur Werkzeug sein.
Qualität kontra Schnelligkeit
Zustimmung erfuhr Newman von Helmut Martin-Jung, Chefredakteur von sueddeutsche.de. Die Schnelligkeit des Online-Mediums übe einen ungeheueren Druck aus, sagte Martin-Jung, der zunehmend
wächst, denn jeder wolle der Erste sein. Immer stelle sich die Frage, ob man die Bestätigung einer Meldung noch abwarten solle, oder dann doch möglicherweise wieder zu spät sei. Immer stelle sich
auch die Frage, ob sich bei der Recherche ein persönlicher Anruf noch lohne.
Dennoch, so ist Martin-Jung überzeugt, sei auch für den Online-Journalismus die Qualität entscheidend. Der Chefredakteur von sueddeutsche.de wandte sich energisch gegen die Mittelmäßigkeit im
Journalismus. Die Macht der Suchmaschinen gehe inzwischen so weit, dass Journalisten ihre Überschriften danach gestalten, welche von den Suchmaschinen am besten gefunden würden und welche
nicht.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.