Kultur

Wider den Zeitgeist

von Die Redaktion · 9. Oktober 2006
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Joachim Kaiser, der große deutsche Feuilletonist, hat zum Tod des Publizisten Joachim Fest geschrieben: "Joachim Fest - mit dem ich lange bekannt und dann in den letzten Jahrzehnten gut befreundet war - machte es seinen Mitmenschen nicht leicht. Ihn erfüllte, ja beseelte ein unerschütterlicher und durchaus anspruchsvoller Charakter. Intellektuelles Niveau, Anstand, Gerechtigkeit - das waren für ihn keine Sonntagstugenden, von denen man sich alltags auch mal erholen, sich vergnügt und entspannt zurückziehen konnte auf schadenfrohe Ironie, intriganten Smalltalk, kollegiales Geschwätz."

Der Bürger, der Journalist Joachim Fest hat kurz vor seinem Tod ein Buch veröffentlicht, das so beeindruckend ist, dass man es kaum weglegen mag und das als Pflichtlektüre in jede Schule gehört. "Ich nicht" - ein Rückblick auf seine Jugend in seinem bürgerlichen Elternhaus in Berlin während des Nationalsozialismus. Da erscheinen sie wieder, die Ansprüche an das intellektuelle Niveau, den Anstand, die Gerechtigkeit. Ansprüche, Verhaltensweisen, Charaktereigenschaften, die von den Nazis mit Stiefeln niedergetrampelt wurden. Das Elternhaus hat Fest geprägt, ein Elternhaus, das gegen die Nazis war. Der Vater, ein Oberschulrat, wurde 1933 aus dem Amt entlassen. Es war sein "Ich nicht", das den Sohn nachhaltig prägte.

Fests Thema war der Nationalsozialismus. 1973 erschien seine herausragende Hitlerbiografie. Eigentlich hatte er Privatgelehrter werden wollen, um sich mit der italienischen Renaissance zu beschäftigen. Stattdessen leitete er 20 Jahre das Feuilleton der FAZ. Er sagte einmal, dass dies neben der Hitlerbiografie sein Hauptwerk gewesen sei. Joachim Fest, 1926 geboren, war ein Mann im Widerstand. Gegen Oberflächlichkeit und vermeintlich aktuelle Strömungen, gegen Vereinfachungen und Schlagworte.

Jörg Hafkemeyer

J oachim Fest: Ich nicht. Erinnerungen an eine Kindheit

und Jugend, Rowohlt Verlag, Reinbek 2006, 368 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 3-498-05305-1

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