Weil sie wiederholt massiv bedroht wurde, sah sie sich 2006 gezwungen, ihre Anwaltszulassung zurückzugeben. Aus der öffentlichen Diskussion hat sie sich jedoch keineswegs
verabschiedet: In ihrem jüngsten Buch befasst sich die streitbare Juristin mit diversen Missständen innerhalb türkischer Communities und "Parallelgesellschaften" in Deutschland. Dazu gehört etwa
häusliche Gewalt in Migrantenfamilien, sogenannte "Ehrenmorde" oder Zwangsheiraten.
Mit der gleichen Offenheit analysiert Ates aber auch jene politischen Rahmenbedingungen und Integrationskonzepte, die Ghettoisierung und Gewaltbereitschaft von Einwanderern aus ihrer Sicht
eher fördern als mindern. Dabei steht vor allem jener verharmlosende Kulturrelativismus zur Diskussion, mit dem, so Ates, gerade Linke und Liberale den Gedanken einer multikulturellen Gesellschaft
auf verantwortungslose Weise ideologisiert hätten.
Gegenüber solchen "Multikulti-Fanatikern" plädiert sie für eine transkulturelle Gesellschaft: Statt an einem gleichgültigen Nebeneinander von Kulturen festzuhalten, gelte es, das Fremde als
bereichernde Komponente der eigenen Identität anzusehen. Mit der Idee eines Zusammenfließens von Kulturen, wie sie Ilija Trojanow und Ranjit Hoskoté (s.u.) vertreten, ließe sich dieser
kulturübergreifende Gedanke übrigens aufs Schönste verbinden.
Ates zufolge müsse zudem an die Stelle einer deutschen eine europäische Wertedebatte treten, ausgerichtet an universellen Grund- und Menschenrechten: "Wir brauchen eine europäische
Leitkultur, an der sich nach Europa zugewanderte, eingewanderte Menschen orientieren können und müssen." So zeigt Ates Wege auf, wie Deutschland doch noch zu einem Einwanderungsland werden könnte,
das diesen Namen verdient. Eine pointierte, kundige Streitschrift, über die es nachzudenken lohnt.
Seyran Ates
Der Multikulti-Irrtum.
Wie wir in Deutschland besser zusammenleben können. Ullstein, 256 Seiten, 18,90 Euro,
ISBN 978-3550086946
Matthias Heine