"Schuld und Sühne". Dies ist der Schlachtruf der "Opritschniki", der Terrortruppe des russischen Herrschers, die im ganzen Land Angst und Schrecken verbreitet. Mit dem Roman Dostojewskis hat
das Buch jedoch wenig zu tun. Sorokin erzählt einen Tag aus dem Leben eines von ihnen: des Opritschniks Andrej Komjaga. Durch seine Augen wirft der Leser einen Blick auf das Russland im Jahr 2027.
Erschreckende Parallelen
Das Russische Reich ist stark und dank seiner Handelsbeziehungen zu China auf dem neuesten Stand der Technik. Autokratisch herrscht der "Gossudar", ein Übervater, mit dem es sich nicht
anzulegen empfiehlt. Für "Recht und Ordnung" sorgt seine (SS-ähnliche) Terrortruppe, die in roten Limousinen unterwegs ist, einen Hundekopf an der Stoßstange und einen stählernen Besen am
Kofferraum.
Erschreckend deutlich schildert Vladimir Sorokin die gesellschaftlichen Verhältnisse dieser Zeit. Europa ist durch eine große Mauer abgetrennt, ausländische Supermärkte wurden abgeschafft,
die Welt hängt am russischen Gashahn. Gerade die in Ansätzen bereits vorhandenen Parallelen sind es, die den Leser aufhorchen und erschaudern lassen.
Der Autor hat einen Science-Fiction-Roman im klassischen Sinne geschrieben: Mithilfe der (überspitzten) Schilderung einer Zukunftsutopie auf die gesellschaftliche Missstände aufmerksam machen
- dies ist das Ziel dieses Genres. Und es gelingt Sorokin in besonderem Maße. Ein ums andere Mal schreckt der Leser auf ob der Parallelen zur Realität, die der Roman enthält.
Kritik und Warnung
Vladimir Sorokin erweist sich dabei als Kenner der russischen Geschichte. Die "Opritschniki" gab es zur Zeit Ivan IV. ("des Schrecklichen). Sie verbreiteten auf Pferden sitzend und mit
Hundekopf und Besen ausgestattet, Terror im damaligen Russischen Reich. Allen Feinden des Zaren ging es dabei an den Kragen. Die Folge: Russland wurde in seiner Entwicklung um Jahrzehnte
zurückgeworfen.
Somit muss Sorokins fesselnd zu lesender Roman als Gesellschaftskritik aber auch als Warnung verstanden werden - nicht nur für die russische, sondern auch für die Weltbevölkerung. Das Jahr
2027 hat in Grundzügen bereits begonnen.
Vladimir Sorokin: Der Tag des Opritschniks, Kiepenheuer & Witsch 2008, ISBN: 978-3462039238, 18,95 Euro
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