Die aktuelle Ausgabe des philosophischen Wirtschaftsmagazins „agora42“ widmet sich dem Thema „Wohlstand“. Die Autoren nähern sich dem Komplex aus höchst unterschiedlichen Richtungen. Manche greifen dabei leider etwas zu kurz.
Wenn die Konsumgesellschaft ein Gesicht hätte, dann wäre es das von James Bond. Der Leinwand-Geheimagent ihrer Majestät versteht keines der Geräte, die er nutzt, um Bösewichte das Fürchten zu lehren - geschweige denn kann er sie reparieren und muss sie deshalb meist nach einmaligem Gebrauch entsorgen.
„Während die Produzenten von lebensnotwendigen Gütern Bedürfnisse befriedigen, die immer wieder spontan entstehen (wie Hunger, Durst, Schutz vor Witterung), achten die Hersteller von Konsumgütern darauf, Abhängigkeiten zu schaffen“, meint Wolfgang Schmidbauer. Und letzteres verkörpere eben James Bond.
„Über blöden Komfort und falsche Helden“ schreibt Schmidbauer, Lehranalytiker und als Paartherapeut den Lesern des „Zeit“-Magazins bestens bekannt, in der aktuellen Ausgabe der „agora42“. Thema des „philosophischen Wirtschaftsmagazins“ ist „Wohlstand“. Dem nähert sich die illustre Riege der – leider durchweg männlichen – Autoren von Schmidbauer über den Professor für politische Ökonomie Birger P. Priddat bis zum amerikanischen Wirtschaftsethiker Ronald F. Duska.
Aristoteles als Vermögensberater
Letzterer geht in seinem Artikel „Wohlstand in der Aristoteles-Bank“ der doppelten Bedeutung des Wohlstandsbegriffs nach. „Weil wir in einer Epoche leben, in welcher der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung ein hoher Stellenwert beigemessen wird, vergessen wir oft, dass das, was wir wollen (was uns interessiert), nicht immer auch das ist, was wir brauchen (was in unserem Interesse ist).“ Dieser Gedanke ist nicht ganz neu und so bezieht sich Duska auch auf Klassiker wie Aristoteles und Cicero, die schon vor mehr als 2000 Jahren wussten, dass Reichtum um seiner selbst willen nutzlos ist.
Interessant ist Duskas Gedanke dennoch – vor allem, weil er antikes Denken auf die Frage überträgt, ob im 21. Jahrhundert ein Vermögensberater seinem Klienten nicht den Unterschied zwischen finanziellem und wahrem Wohlstand vermitteln müsste.
Vorbild Kuba?
„Wer nur reich ist, ohne zu wissen wozu, ist arm: Arm an Zielen, Arm an Sinn“, schreibt auch Birger P. Priddat. „Wozu reich sein?”, fragt der Ökonom in seinem Artikel. Seine Antwort: um „kulturelle Avantgarde zu werden”. Priddat wirbt für ein modernes Mäzenatentum, Reiche sollen ihr Vermögen wie in vergangenen Zeiten nutzen, um Kathedralen zu bauen, Museen auszustatten oder Gärten anzulegen. Dass auch etwas höhere Steuerzahlungen viel Gutes (und für die breite Gesellschaft sicher Nützlicheres) erreichen könnten, ist Priddat bewusst. Doch von „Umverteilung” hält er nichts und gibt das unumwunden zu.
Priddats Beitrag illustriert damit die Schwäche dieses ansonsten inhaltlich so reichen Hefts: Es bewegt sich leider allzu oft auf einer abgehobenen Metaebene und entzieht sich der gesellschaftlichen Diskussion über Vermögenssteuer und Mindestlohn. Lässt man diesen Aspekt außer Acht, bietet die Wohlstands-Ausgabe der agora42 allerhand interessante Denkanstöße (Kuba als Vorbild für nachhaltiges Wirtschaften etwa) und nicht zuletzt ein Augen öffnendes Porträt mit einem neuen Blick auf den oft gescholtenen Ökonomen Adam Smith.
Der wusste schon im 18. Jahrhundert: „Der Weise und Tugendhafte ist jederzeit damit einverstanden, dass sein eigenes Privatinteresse dem allgemeinen Interesse des Standes oder der Gemeinschaft aufgeopfert wird, der er eben angehört.” Smith war Brite, genauso wie James Bond.
agora42 02/2013: Wohlstand, 8,90 Euro
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.