Kultur

Vergessene Flüchtlinge

von Edda Neumann · 30. Dezember 2008
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Die europäische Vorstellungen des Maghreb beschränken sich zum größten Teil auf Bilder wie Palmen, Strand und Meer: gleich einem Urlaubsparadies. Obwohl zwar immer wieder von Flüchtlingsdramen berichtet wird, die sich beim Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, ereignen, wird dieses Klischee selten hinterfragt. Allmählich werden jedoch hierzulande auch andere Bilder zur Kenntnis genommen.

Der marokkanische Autor Youssouf Amine Elalamy versucht über den Weg der Literatur diese Missverständnisse abzubauen. In "Gestrandet" erzählen jene Flüchtlinge ihr Leben, die diese gefährliche Überfahrt in das verheißungsvolle Europa nicht mehr erleben konnten.

Zerbrochene Hoffnungen

In einem kleinen Holzboot machen sich insgesamt zwölf Männer und eine schwangere Frau auf den Weg, um von Marokko nach Spanien zu gelangen. Ein jeder trägt seine ganz eigene Hoffnung mit sich. Das Ufer der neuen Heimat befindet sich in zwanzig Kilometern Entfernung. Niemand weiß so genau, wie es auf der anderen Seite ist oder was ihn erwartet. Nur besser soll es sein. Aber diese Menschen werden ihr Ziel nicht erreichen. Ein Schiffsunglück macht alle zunichte. Tage später liegen sie tot am Strand.

Biographische Fragmente der Verunglückten zusammen mit denen der Hinterbliebenen ergänzen sich gegenseitig und ergeben ein Klagelied. Die Beweggründe und die Hoffnungen der Flüchtlinge auf ein besseres Leben in der Ferne werden fassbar. Die schiere Verzweiflung treibt diese Menschen an, wenn sie gar bereit sind, das eigene Leben aufs Spiel zu setzten für eine ungewisse Zukunft.

Die Gewalt der Metapher

Die äußeren Begebenheiten werden nur ansatzweise erzählt. Träume und enttäuschte Gefühle sollen Nähe zu den Schicksalen entstehen lassen. Dagegen lässt sich nichts einwenden. Wohl aber gegen die Fülle und der Auswahl der Metaphern, die von der Begebenheit nichts Konkretes übrig und diese als reine Nebensache erscheinen lassen.

Zu Beginn heißt es: "Das Meer war aufgepeitscht. Eine riesige Welle türmte sich auf. Das kleine, hilflose Boot kenterte, drückte die Passagiere hinunter." Das Meer ist hierbei jene Naturgewalt, die das Leben der Flüchtlinge beendet. Aber als Metapher wird es überstrapaziert: "Bei jeder Welle werde ich zur Taube, meine weißen Flügel ausbreiten, mich über dir verbeugen, mich gleiten lassen und dir die Füße mit meinen parfümierten Federn lecken kommen." oder "unendliche Weite von Tinte, mit der ganze Bücher gefüllt werden könnten".

Diese weinerlich wirkenden Textpassagen machen zum Leidwesen dieses kleinen Bändchens einen großen Teil aus. Insgesamt ein ambitionierter Versuch, dieser Thematik etwas Individualität zu verleihen. Aber zu wenig, da das Unglück nur eine Episode bleibt.

Youssouf Amine Elalamy: Gestrandet, Aus dem Französischen übersetzt von Barbara Gantner, Verlag Donata Kinzelbach 2008, 170 Seiten, 18,00 Euro, ISBN-13: 978-3927069916








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