Kultur

„Unsere Konzerte sind für die Revolution“

von Birgit Güll · 18. Juni 2012

Ahmed Asery ist Teil der jemenitischen Band „3 Meters Away“. Der 27-jährige Musiker erklärt im Interview: „Es ist nicht der politische Umbruch, der das Leben der Menschen ändern wird, es ist der kulturelle Wandel.“ Mit seiner Band engagiert er sich für eine friedliche, offene Gesellschaft im Jemen – obwohl er bedroht wird.

In Europa beobachten wir den Umbruch im Arabischen Raum. Nach den hoffnungsvollen Anfängen gibt es viele Nachrichten über Instabilität und Kämpfe. Wie ist die Lage im Jemen?

Ahmed Asery: Der Jemen ist im Umbruch. Es geht um einen Politikwechsel und dabei spielt die Geisteshaltung der Menschen eine wichtige Rolle. Es ist eine schwierige Zeit und wir alle tragen Verantwortung dafür, die Zukunft und das Leben der Menschen zu verbessern.

Wenn Sie sagen die Geisteshaltung spielt eine Rolle, wie meinen Sie das?

Die jemenitische Gesellschaft ist sehr konservativ, Traditionen sind die wichtigsten Regeln im Leben der Menschen. Es gibt Probleme in unserer Gesellschaft, die wir analysieren müssen. Unsere Band „3 Meters Away“ versucht das, wir schlagen Lösungen vor. Wir glauben an weniger Gewalt und mehr Toleranz. Einige Leute rechtfertigen das Töten mit Ideologie, mit dem Islam. Diese Geisteshaltung wandelt sich gerade. Wir müssen unser Bestes geben, denn jetzt sind die Menschen bereit zuzuhören und nach dem politischen Umbruch auch den gesellschaftlichen Wandel zu vollziehen.

Sind sie zuversichtlich, dass der Wandel gelingen wird?

Alles ist möglich. Die Veränderung kann gelingen, sie kann aber auch unterbrochen werden. Die Arbeit beginnt jetzt. Es ist nicht der politische Umbruch, der das Leben der Menschen ändern wird, es ist der kulturelle Wandel. Welche Werthaltungen haben wir und was muss für die Menschen getan werden? Wie kann die Gewalt und das Töten beendet werden? Darum geht es.

Die Musik hat beim Umbruch im Arabischen Raum eine Rolle gespielt. Wie wichtig war sie im Jemen?

Musik ist wichtig für Menschen. In einer religiösen Gesellschaft wie der jemenitischen gibt es Leute, die Musik ablehnen. Trotzdem existiert sie und Menschen hören sie. Wir haben nicht viele Theater, keine große Film-Bewegung, auch nicht viel Musik. Aber wir versuchen der Musik einen wichtigen Stellenwert im Leben der Menschen zu geben. Sie sind nicht daran gewöhnt ins Theater zu gehen, aber ab und zu hören sie Musik, im Radio oder über das Internet. Wir wollen mit unserer Musik Teil des kulturellen Wandels sein und einen Beitrag zur Veränderung der Gesellschaft leisten. Der Umbruch im Jemen kann Richtung Gewalt oder Richtung Frieden gehen. Wir tun alles was wir können für den Wandel zum Frieden.

Transportieren Sie Ihre Friedens-Botschaft in erster Linie über die Texte der Songs?

Es ist der Text, es ist die Musik, das Gefühl und die Identität, die Zugehörigkeit zum Jemen. All das kommt in unseren Songs zusammen und wir teilen das mit den Menschen. Selbst wenn die Texte toll sind, ohne gute Musik werden die Leute nicht zuhören.

Ist das Internet wichtig für die Verbreitung Ihrer Musik?

Ja, es ist nach Live-Konzerten unser zweitwichtigstes Instrument. Viele Jemeniten nutzen das Internet, besonders soziale Netzwerke, um einander zu kontaktieren und sich darüber zu informieren was passiert. Wir nutzen das Internet um unsere Vorstellungen von Frieden, Liebe, von Humanität und Gerechtigkeit zu verbreiten.

Wie frei sind Sie im Jemen Ihre Musik zu machen, Konzerte zu geben?

Die Menschen wollen Musik hören. Das Problem ist, dass einige Geistliche Musik „haram“ erklären, zur Sünde. Sie sagen den Menschen, dass Musik eine Sünde sei – das ist ihr Urteil, die Fatwa. Im islamischen Glauben halten Menschen sich an Fatwas, sie befolgen sie. Aber es ist kontrovers, andere Geistliche sagen Musik sei keine Sünde, trotzdem sei es nicht gut sie zu hören. Die Menschen stehen dazwischen: Sie wollen Musik hören, haben genug vom Krieg, dann sind da die unterschiedlichen Auslegungen der Geistlichen.

Fühlen Sie sich bedroht?

Ja. Wir werden bedroht – von Gruppierungen und von Einzelpersonen. Nicht nur weil wir Musiker sind, es gibt auch andere Musiker im Jemen. Es geht um die Themen die wir ansprechen. Wir analysieren Sachverhalte, bringen Dinge zur Sprache. Zum Beispiel wurden im Süden des Jemen mehr als 20 Menschen die Hände amputiert, als Bestrafung. Wie können einige Leute sich zu derartigen Richtern aufschwingen? Wie können sie behaupten, sie handelten im Auftrag Gottes? Wir haben das in der Band diskutiert und einen Song darüber gemacht.

Stehen Sie in Kontakt mit anderen jungen Musikern im Jemen, diskutieren sie mit anderen Bands?

Wir haben Kontakt zu anderen, aber nicht alle Musiker wollen diskutieren. Viele singen einfach auf Partys oder Hochzeiten. Wir wollen mit unserer Musik Probleme ansprechen, die unser Leben berühren. Wir wollen Lösungen anbieten. Wir sind seit 2007 Aktivisten, wir glauben an  Freiwilligenarbeit und daran, dass sie das Leben der Menschen hier zum Besseren verändern kann. Unsere Konzerte sind für die Meinungsfreiheit, für die Revolution. Die meisten Musiker im Jemen spielen für Hochzeiten – das sind unserer Freunde, tolle Musiker – aber wir wollen uns für die Veränderung dieser Gesellschaft engagieren.

Ahmed Asery wurde 1985 im Jemen geboren. Seine Band heißt „3 Meters Away“

Interview: Birgit Güll

Das Interview erschien zuerst auf kulturundpolitik.de

Autor*in
Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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