Seit der Veröffentlichung seines ersten Buches muss sich Roberto Saviano vor der italienischen Mafia verstecken. Anlässlich seiner neusten Publikation diskutierte der Autor mit Akademie-Präsident Klaus Staeck über Wege, der organisierten Kriminalität die Stirn zu bieten.
Der breiten Öffentlichkeit ist Roberto Saviano spätestens seit der Verfilmung seines Reportageromans „Gomorrha“ 2008 ein Begriff. Eindringlich zeichnet er darin die fein verästelten Strukturen der neapolitanischen Camorra nach, die sich bis tief in das Alltagsleben Süditaliens erstrecken – ein heilloses Geflecht aus Verbrechen, Korruption und Machthunger. Saviano gibt den Blick frei auf eine Gesellschaft, in der Gewalt allgegenwärtig ist. Seitdem zwingen Morddrohungen der Mafia den Journalisten zu einem Leben mit Personenschutz. Seinen Aufenthalt wechselt er ständig – jeden Schritt muss er drei Tage im Voraus planen, will er sein Leben nicht gefährden.
Anfang des Jahres ist sein neues Buch „Der Kampf geht weiter. Widerstand gegen Mafia und Korruption “ in Deutschland erschienen. Die Akademie der Künste in Berlin hat dies zum Anlass genommen, den Autor zu einem Gespräch einzuladen. Gastgeber Klaus Staeck erinnert an eine Anmerkung Savianos zum ersten Roman: „Die einzige Waffe, die bisher noch nicht gegen die Camorra eingesetzt worden war, hat funktioniert: die Literatur.“
Dieselbe Waffe richtet der 1979 in Neapel geborene Saviano nun gegen die kalabrische 'Ndrangheta. Dieser Mafiaclan sei in den letzen Jahren zusehends mächtiger geworden, begründet er sein Interesse an der Organisation. Ihr Einfluss geht weit über Europa hinaus und erstreckt sich bis Nord- und Südamerika sowie Russland und Australien. Saviano beschreibt neben Struktur und Aufbau der Organisation auch das seit 16 Jahren andauernde Müllproblem in Neapel. Um Gelder zu sparen, hilft die Mafia Unternehmen Müll, zu verklappen. Mit dramatischen Folgen für die Umwelt – in Italien, im Mittelmeer und in Afrika.
Die Mafia liebt Deutschland
Im Gespräch zwischen Saviano und Staeck, dem am Donnerstagabend rund 800 Gäste aufmerksam lauschen, löst sich der Fokus schnell von der Heimat des Autors. Und wandert nach Deutschland: Für jeden, der sich mit dem Phänomen Mafia befasse, so Saviano, sei es unglaublich, dass das deutsche Volk nicht frage, was hierzulande vorgehe.
Erst nach einem offenen sechsfachen Mord vor einer Duisburger Pizzeria im Jahr 2007 habe sich der Blick der Öffentlichkeit auf die Mafia gerichtet. Selbst dann habe man sich noch weiterhin eingeredet: „Das sind doch lediglich Italiener, die sich gegenseitig umlegen.“ Nicht sei falscher als das, beteuert Saviano. „In Deutschland werden Milliarden über Milliarden Euro gewaschen. Nicht nur von der italienischen Mafia; auch von der russischen, der bulgarischen oder der nigerianischen Mafia. Es gibt kein wirkliches Geldwäschegesetz. Es gibt keine wirksamen Anti-Mafiagesetze. Praktisch existiert auch keine Oberstaatsanwaltschaft gegen die Mafia.“ Damit sei Deutschland das perfekte Land für die Mafia, um Geschäfte zu machen. Geschäfte, die immer auch mit Schwarzgeld und Geldwäsche zu tun haben.
„Das Schwarzgeld ist eine echte Bedrohung für Deutschland und die europäische Demokratie“, mahnt der Mafia-Experte. Einen zu sorglosen Umgang mit globalen Finanzströmen und Steueroasen kritisiert auch Staeck. Die einhellige Forderung der beiden an die Politik lautet: konsequente Kampf gegen Wirtschaftkriminalität, Austrocknen der Steueroasen und Unterbindung anonymer Geldtranfers.
Zum Schluss appelliert Saviano an das Publikum, sensibel für das Thema organisierte Kriminalität zu bleiben. Denn, so berichtet der Autor aus eigener Erfahrung, „die Mafias sind eingeschüchtert von jemandem, der sich dazu entscheidet ein Buch zu öffnen, einen Dokumentarfilm zu schauen, sich zu informieren. Sie nehmen Verhaftungen und Tod in Kauf. Was sie aber nicht gerne haben, ist die Aufmerksamkeit.“ Denn diese führe dazu, dass ihre Mechanismen, die Logik der Mafiageschäfte, offen gelegt würden. Vor diesem Hintergrund seien Abende wie der in der Akademie der Künste Momente der Hoffnung. Sie dienten eben gerade dazu, die Strukturen der Mafia besser zu verstehen.