Auf den ersten Blick ist an dem Konzept für „The Forbidden Girl“ nichts auszusetzen: Man nehme ein kleines Budget und verknüpfe zwei populäre Genres. Zum Beispiel die Gruselromanze und den Mysterythriller.
Daraus forme man, gerade mit den Mitteln, die knappe Kassen bedingen, eine ästhetische oder zumindest erzählerische Überraschung. Kein Problem, sollte man meinen: Hitchcocks „Psycho“ verdankt seine legendäre Intensität gerade seinem puristischen, wenn nicht gar billigen Ambiente. Doch Regisseur Till Hastreiter, der mit seinem Hip-Hopper-Film „Status Yo!“ Erfolge bei der Berlinale feierte, ließ sich dazu hinreißen, die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen: Er suchte sich zwar einen massentauglichen Filmstoff (wenn auch ohne Vampire) und sparte, wo er konnte. Trotzdem leistete er sich ein Maximum an Spezialeffekten im ebenfalls schwer angesagten 3D-Gewand. Fertig war „Deutschlands erster unabhängigen 3D-Film“, wie der Verleih verkündet. Leider merkt man dieser Produktion, die sich in der Tradition romantischer Hollywood-Blockbuster der 40er-Jahre wie „Der Zauberer von Oz“ sieht und zugleich an die Grusel-Krimis nach Edgar Wallace anknüpfen will, die Fixierung auf technische Highlights überdeutlich an. Und das ist schade: Die Geschichte, um die es geht, hätte es verdient gehabt, ordentlich auserzählt zu werden, anstatt in hektischen Schnitten, zuckenden Blitzen und digitalen Rauchschwaden zu ersaufen. Dass man den Berliner Hinterhof, wo vor allem die Szenen mit Spezialeffekten gedreht wurden, des Öfteren hinter den Kulissen zu erkennen meint, ist schon fast sympathisch.
Es ist das Date seines Lebens: Nächtens lässt sich Teenager Toby von seiner Freundin Kathy auf den Friedhof locken. Doch bevor es zum Äußersten kommt, taucht sein Vater, ein fanatischer, jegliche Zuneigung verabscheuender Priester auf. Plötzlich sind Kathy und der Hassprediger verschwunden, besser gesagt: verschleppt von einer Art Werwolf. Weil ihm das keiner glaubt, landet Toby in der Psychiatrie. Jahre später kommt er frei und verdingt sich als Hauslehrer in einem düsteren Schloss. Die junge Dame, die es zu unterrichten gilt, gleicht Kathy bis in die Spitzen. Beide fühlen sich zueinander hingezogen, doch Laura behauptet, keine andere als Laura zu sein. Eifersüchtig beäugt wird das Paar von Mortimer, einem leichenblassen, aber durchtrainierten und daher äußerst schlagkräftigem Faktotum. Und was führt Lauras Tante im Schilde? Einst hatte Lady Wallace verfügt, kein Sonnenlicht solle in das Gemäuer dringen. Kaum ist Toby im Haus, erwacht sie zu neuem Leben: Die verwesende Greisin wandelt sich zur attraktiven Schlossherrin. Steht sie im Bunde mit dem immer bedrohlicher agierenden Mortimer oder verfolgt sie ihre eigenen Pläne? Toby verliert den Durchblick und folgt seinem Instinkt: nur raus hier, und zwar gemeinsam mit Laura. Doch der Schleier, der die beiden umgibt, wird immer undurchdringlicher. Gewinnt der Schrecken jener Friedhofsnacht, der ihn nie losgelassen hat, endgültig die Macht über Toby oder braut sich ein ganz anderes Grauen zusammen, das die beiden niemals freigeben wird?
Nicht nur Toby, der unablässig in böse Überraschungen hineinstolpert, auch selbst der wohlwollendste Zuschauer verliert in diesem Durcheinander den Überblick. Zwar beherrscht Hastreiter die gängigen Methoden, um blitzschnelle Schockmomente aufzubauen, etwa, wenn sich Mortimer in ein bissiges, schleimiges Etwas verwandelt. Auch das Neue Jagdschloss im thüringischen Hummelshain, wo ein Großteil der Szenen entstand, kann seine Verschlungenheit in den raumsatten Einstellungen voll ausspielen, um das Seine zur bedrohlichen Atmosphäre beizutragen. Doch bei der mehr als üppigen Optik aus traumwandlerischen und in ihrer pathetischen Symbolik überzeichneten Sequenzen ist der innere Zusammenhang, von Logik will man gar nicht sprechen, klar auf der Strecke geblieben. Das hat die paradoxe Situation zur Folge, dass der Zuschauer selbst während des Siedepunktes der Handlung darauf wartet, dass diese endlich aus dem Knick kommt. Doch nach einer überraschenden Pointe ist alles vorbei.
Immerhin tragen die Hauptdarsteller diesen Film, der gezielt für den US-Markt in englischer Sprache gedreht wurde, voll und ganz, selbst wenn das holperige Drehbuch es nicht immer gut mit ihnen meint. Jeanette Hain, die in July Delphys „Die Gräfin“ die Mutter der Blutgräfin Erzsébet Báthory gab, überzeugt als Grande Dame mit der Aura einer gleichsam kühlen wie leidenschaftlichen Hexe. Peter Gadiot und Jyttte-Merle Böhrnsen als tragisches Paar verdienen das Prädikat „solide“. Klaus Tange als Mortimer steht wiederum für die 2.0-Variante des Schlossdieners: wesentlich besser in Form als viele seiner Kollegen in Genre-Klassikern und mindestens genauso unheimlich. Was sich von diesem Film leider nicht sagen lässt.
Info: The Forbidden Girl (D 2011), ein Film von Till Hastreiter, mit Peter Gadiot, Jyttte-Merle Böhrnsen, Jeanette Hain, Klaus Tange u.a., Originalsprache: Englisch, 99 Minuten.
Ab sofort im Kino
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