taz Akademie startete mit einem ersten Workshop zum „Kritischen Journalismus“
Interview: Edda Neumann
Was hat Sie dazu bewogen, sich beim Workshop der taz Akademie zu bewerben?
Alexandra Poth
: Mein Entschluss kam sehr spontan. Journalismus als potentielles Berufsfeld ging mir schon ein paar Jahre durch den Kopf. Jedoch hatte ich nie Zeit, mich ernsthaft damit
auseinander zu setzen. Als ich in der taz vom Workshop las, schien mir das die perfekte Gelegenheit, um mich selbst auszuprobieren und zu schauen, ob ich alle Fertigkeiten für diesen Beruf
mitbringe.
Daniel Freese: Die Initiative für eine Bewerbung ging von meiner Freundin aus, die
in Berlin lebt und arbeitet. Sie hoffte, mich für ein Wochenende bei ihr zu haben.
Ich wollte mich persönlich weiterentwickeln, mich vernetzen und kritische Zeilen schreiben. Für eine große und vor allem linke Zeitung zu arbeiten, stelle ich mir spannend vor. Außerdem
versprach ich mir davon, unter den Jung-Journalisten und "alten Hasen" Gleichgesinnte zu finden. Ich wollte kritisch über das derzeitige Gesellschaftssystem reden und schreiben. Aber auch
Menschen treffen, die ebenfalls die Nase voll haben von einem Kapitalismus, der nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, Ungleichheiten schafft und die Umwelt zugrunde richtet.
Gab es ein schwieriges Auswahlverfahren?
Alexandra Poth: Wir wussten zu Beginn des Workshops nicht, warum gerade "wir" teilnehmen durften. Das einzige, was wir wussten war, dass die Teilnehmer vom taz-Stiftungsteam
ausgewählt wurden. Im Verlauf wurde uns jedoch erzählt, dass die Auswahl nicht leicht fiel. Es sollte eine bunte Mischung aus allen Altersklassen, Studiengängen und Berufen entstehen mit jeweils
viel oder wenig journalistischer Erfahrung.
Daniel Freese: Die Akademie war bundesweit ausgeschrieben, da musste die Konkurrenz zwangsläufig erdrückend groß sein. Ich glaube, dass ich das Ganze nicht zu ernst genommen
habe. Ohne groß nachzudenken, habe ich offen und ehrlich meine Einstellung auf den Punkt gebracht. Am Ende waren es rund 400 Bewerbungen. Ich habe mir keine großen Chancen ausgerechnet.
Wie stellen Sie sich Ihre berufliche Zukunft vor?
Alexandra Poth: Die spielt in meiner aktuellen Lebensplanung noch keine große Rolle. Im September werde ich für ein Jahr nach Shanghai gehen und danach irgendwo einen Master
machen. Bis dahin kann noch vieles passieren. Daher fällt es mir schwer, mich jetzt schon festzulegen. Schließlich wollte ich vor fünf Jahren noch Luft- und Raumfahrttechnik studieren. Doch jetzt
ist es Politikwissenschaft geworden. Prinzipiell kann ich mir die Arbeit in einer Redaktion sehr gut vorstellen, vor allem bei der taz.
Daniel Freese: Weltwärts, sozial und aktiv - so möchte ich arbeiten. Wie, wann und wo weiß ich noch nicht genau. Ich halte es nicht lange in einem Büro aus. Jedenfalls werde ich
keine Finger für einen Wirtschaftsbetrieb krumm machen.
Mich reizt soziale Projektarbeit im Ausland. Während meiner Nicaragua-Reisen habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht. Nach dem Studium würde ich gern ein Jahr mit einem Entwicklungsdienst
ins Ausland gehen, um die Entwicklungszusammenarbeit näher kennen zu lernen. Später möchte ich einmal sagen können: Meine Arbeit macht Sinn, ich verändere etwas, bewirke Positives für Mensch und
Umwelt.
Als nächstes geht es ab August für zwei Semester nach Madrid, um Spanisch zu lernen. Das werde ich sicher später gut gebrauchen können. Lateinamerika hat es mir angetan und da wird
hauptsächlich Spanisch gesprochen.
Was haben Sie persönlich in diesen drei Tagen mitgenommen?
Alexandra Poth: So vieles. Das Wichtigste für mich persönlich war festzustellen, ob ich diesem Beruf auch gewachsen bin. Diese Frage kann ich für mich positiv beantworten. Die
Tage bei der taz waren ein realistischer Einblick in das journalistische Arbeiten.
Wir wurden äußerst herzlich in den Kreis der "taz´ler" aufgenommen und zu keinem Zeitpunkt wie "Neulinge" oder "Hilfsarbeiter" behandelt. Die taz hat sich mir als attraktiver Arbeitgeber
dargestellt. Ich hoffe, während meines Masters noch einmal als Praktikantin wiederzukommen.
Daniel Freese: Ich habe echten Stress und krassen Druck kennen gelernt. Nach einem
16-Stundentag und 8 bis9 Stunden Schlaf am gesamten Wochenende und den ersten Mahlzeiten abends um sechs, kann ich sagen: Journalismus ist wirklich nichts für Zartbesaitete!
Aufgemuntert hat mich die Erkenntnis, dass meine Generation nicht völlig politisch und sozial desinteressiert ist. Es gibt kluge Köpfe, die sich kreativ für eine gerechte und umweltbewusste
Welt einsetzen. Es waren ein paar sehr interessante Leute mit an Bord. Besonders klasse war auch, die alten Geschichten von den ersten Redaktionssitzungen mit nackten Mitarbeiterinnen oder von
Druckerkommentaren "Ist doch Mist" unter den ersten Artikeln zu hören.
Die taz ist schon eine besondere Zeitung. Ihre Geschichte ist einmalig: ein Weg vom Radikalo-Blatt der Linken zum gut situierten, bürgerlich-grünen Milieu.
Was würden Sie anderen angehenden Nachwuchsjournalisten empfehlen, um ihrem Traumjob näher zu kommen?
Alexandra Poth: Nutzt jede Chance, die sich bietet, um in den bereich reinzuschnuppern. Ihr müsst herausfinden, ob ihr euch wirklich vorstellen könnt, das tagtäglich zu leben.
Denn der Journalismus, wie ihn die taz lebt, ist mehr als ein Beruf. Es ist eine Lebenseinstellung, die viel Engagement, Flexibilität und vor allem Zeit abverlangt. Noch wichtiger ist, dass ihr
euch nicht einreden lassen solltet, das Falsche zu studieren. Ein Journalistikstudium ist keine Voraussetzung für diesen Beruf. Im Gegenteil, wenn ihr Fachwissen auf einem bestimmten Gebiet
besitzt, bringt euch das sogar vielleicht weiter. Das journalistische Handwerkszeug könnt ihr später immer noch erlernen.
Daniel Freese: Beugt euch weder erdrückenden Konventionen, noch vermeintlich guten Ratschlägen der Alten. Seid die, die ihr wirklich seid. Denkt frei, schreibt kritisch und
hinterfragt. Wenn ihr "echt" seid und für etwas steht, euch aus Interesse weiterbildet und nichts aus Zwang oder Karrierevernarrtheit, werdet ihr beruflich dort landen, wo ihr hinwollt. Es ist an
uns, die Welt auf Kurs zu bringen. Dazu braucht es aufrecht gehende Menschen und Journalisten.
Die taz Akademie ist ein Projekt der gemeinnützigen taz Panter Stiftung,
die im letzten Jahr ins Leben gerufen wurde. Mit Workshops und
Fortbildungsveranstaltungen wird seit diesem Frühjahr die Ausbildung von
angehenden JournalistInnen gefördert. Im Zentrum steht der engagierte
und kritische Qualitätsjournalismus. Die taz Panter Stiftung ist auch
Ausrichterin des "taz Panter Preises für die HeldInnen des Alltags", der
jährlich vergeben wird.
Im ersten Workshop zum "Kritischen Journalismus" wurden die 20 jungen
Frauen und Männer zwischen 18 und 28 Jahren in den kritischen
Qualitätsjournalismus eingeführt. Während des dreitägigen Seminars entstand
eine vierseitige Beilage mit Berichterstattung zum
taz-Kongress anlässlich des 30. Geburtstages der taz, die gemeinsam im
taz-Verlagshaus in der Rudi-Dutschke-Straße produziert wurde.