Kultur

SPD – ein Projekt im Wandel

von Franziska Drohsel · 17. November 2008
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Drei Fragen stehen im Zentrum: Diskutiert wird zunächst, ob die Zähmung des Kapitalismus als dauerhafte Aufgabe zu verstehen ist. Angesichts der weltweiten Finanzmarktkrise ist dies sicher eine Frage, die aktueller denn je ist. Dennoch verwundert es, dass die Fragestellung auf die Zähmung reduziert wird. Ursprünglich war die Sozialdemokratie schließlich angetreten, um ein System jenseits des Kapitalismus zu erkämpfen.

Eigennutz ist nicht alles

Es verwundert auch das Fragezeichen an sich: Schließlich ist es doch innerhalb der Sozialdemokratie Konsens, dass im Kapitalismus für soziale Veränderungen gekämpft wird und werden muss. Folglich stellt sich nicht die Frage des "Ob" sondern des "Wie": Was genau soll gezähmt werden und wie ist das zu schaffen?

In der Podiumsdiskussion merkt Prof. Dr. Jürgen Kocka an der Stelle zu Recht an, dass das Grundsatzprogramm der SPD äußerst zurückhaltend mit dem Begriff des Kapitalismus umgeht. In dem Beitrag von Prof. Dr. Werner Abelshauser verwundert die Gegenüberstellung von Europa und Amerika, wobei Amerika mit dem "bösen" Kapitalismus gleichgesetzt wird. Dies ist nicht nur faktisch unzutreffend - man erinnere nur an Großbritannien in der Thatcher-Ära -, sondern auch in der Unterteilung von gutem und bösen Kapitalismus fragwürdig. Prof. Dr. Johano Strasser erläutert, dass Markt und Kapitalismus nicht zwangsläufig das gleiche seien und hebt hervor, dass das Menschenbild der Sozialdemokratie eben nicht davon ausgeht, dass der einzige Impuls des Menschen der Eigennutz ist.

Wirtschaftsdemokratie zu wenig im Fokus

Prof. Dr. Helga Grebing stellt sich der zweiten Frage: Sie beleuchtet in einem historisch faktenreichen Beitrag das Verhältnis der Sozialdemokratie zur Demokratie. Ganz klar deutlich wird, dass Freiheit und Demokratie von Beginn immanenter Bestandteil des sozialdemokratischen Kampfes waren. Sie erinnert damit völlig zu Recht daran, dass die Frage von Demokratie angesichts sinkender Wahlbeteiligung nicht nur brennend aktuell ist, sondern darüber hinaus keinesfalls auf parlamentarische Wahlen beschränkt werden darf. Es sollten vielmehr weitere gesellschaftliche Bereiche von Demokratisierungsbestrebungen erfasst werden. Insbesondere den Bereich der Wirtschaftsdemokratie stellt sie als ein notwendiges Handlungsfeld der SPD dar.

Mehr Arbeit für Wenige oder weniger Arbeit für Alle

Die letzte Frage ist die nach dem Fortschrittsverständnis der SPD. Man muss allerdings nur an die Erfindung der Atombombe denken, um sich von einem unkritischen Fortschrittsfetisch schnell zu verabschieden. Deutlich wurde, dass Fortschritt eine umkämpfte politische Kategorie ist. Was als Fortschritt verstanden wird, ist auch Ausdruck von gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen. Prof. Dr. Johano Strasser erinnert richtiger Weise daran, dass die SPD besonders auf dem Feld der Arbeitszeit wieder in die Offensive kommen muss: Es ist ein zivilisatorischer Fortschritt, wenn für die Arbeitstätigkeiten weniger menschliche Arbeitskraft erforderlich ist. Das könnte heißen, dass alle weniger arbeiten müssen und mehr freie Zeit haben. Das Gegenteil ist in der jetzigen Gesellschaft der Fall. Dies zu hinterfragen, bleibt gerade für die Sozialdemokratie notwendig.

Fazit: Die Dokumentation des Forums Historische Kommission ist ein Buch, das zutreffende Fragen stellt und ihre Antworten anreißt. Und es ist klar, dass mit der Beantwortung ganz unterschiedliche Perspektiven entstehen und zahlreiche Kontroversen verbunden sind.

Bernd Faulenbach, Gunther Adler, Hrsg., Das sozialdemokratische Projekt im Wandel. Zur Frage der Identität der SPD. Klartext Verlag 2008, 100 Seiten, 14,90 Euro, ISBN: 978-3-8375-0048-6

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Autor*in
Franziska Drohsel

ist Juristin und stellvertretende Vorsitzende der SPD Steglitz-Zehlendorf.

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