Zum Fest der Liebe soll man an die denken, die es nicht so gut haben. Die Armen. Oder das Weltklima. Wie wäre es also mit Öko-Dessous aus Bambus für die Liebste? Oder einer Kreditkarte, von
deren Erträgen Bäume gepflanzt werden? Für ihn: eine Solar-Modelleisenbahn? Ein "grünes Handy" aus Mais-Plastik? Und für die Familie: Skier aus Holz, mit denen man in einem "klimaneutralen
Skiort" nachhaltig die Berge kaputtfahren kann? Wenn man die Geschenkeseiten der Magazine durchblättert, könnte man glauben, die Weltrettung stünde so unmittelbar vor der Tür wie Weihnachten: Die
abseitigsten Produkte sind mittlerweile mit Öko- oder Sozialversprechen veredelt.
Lifestyle of Health and Sustainability - kurz: Lohas - heißt der grüne Shop-ping-Trend, der sich als "gesellschaftliche Veränderungsbewegung" feiert und seine Mitglieder als "moralische
Hedonisten". Die Weltrettungsidee dahinter ist simpel: Wenn genug Menschen ökologische und sozialverträgliche Produkte kaufen, stellen Unternehmen nur noch "gute" Dinge her. Je nach Studie sind
bis zu 30 Prozent der Deutschen diesem Lebensstil zugetan. Das klingt toll: Denn dass der Kunde begreift, unter welchen Bedingungen seine Produkte enstehen, darauf arbeiten NGOs seit Jahrzehnten
hin - um mit öffentlicher Empörung Druck auf die Politik auszuüben, Gesetze zu etablieren, die Unternehmen zu einem umwelt- und sozialverträglichen Wirtschaften zwingen.
Egoismus des guten Gewissens
Aber leider ist Lifestyle-Ökos keine politische Bewegung. Es gibt keine homogene Gruppe, die nach verbindlichen Grundsätzen handelt. Sondern nur eine besserverdienende Schicht, die ihren
Konsum zeitweise nach individuellen Vorstellungen ökologisch gestaltet: argentinisches Rindersteak essen - aber bio. Sich freuen, dass das Designer-T-Shirt aus Öko-Baumwolle ist. Und, wenn man
sich's leisten kann, ein Hybrid-Auto kaufen, am besten bei einem Autohändler, der dafür einen Baum pflanzt. Lifestyle-Ökos fragen nicht, ob mit einem Wirtschaftssystem etwas nicht stimmt, in dem
es möglich ist, Dinge unter verheerenden Bedingungen herzustellen. Sie wollen lieber mit gutem Gewissen einkaufen. Ethischer Konsum ist eine Befindlichkeitsweltrettung, die nicht weh tut, die
nicht nach allgemeinen Lösungen sucht, sondern individuelle Erlösung verspricht. "Gutes Gewissen" heißt entsprechend das neue Attribut der Warenwelt - und Unternehmen liefern sich darin einen
Wettbewerb um ein einwandfreies Image: Denn mit dem moralischen Wohlgefühl der Öko-
Elite lässt sich viel Geld verdienen.
Ein gutes Gewissen ist egoistisch und bedeutet Stillstand: Wer glaubt, mit seinem Einkauf seinen Beitrag zur Gesellschaft geleistet zu haben, denkt kaum mehr über große Zusammenhänge nach.
Moralische Saturiertheit führt nicht zu Wut, Protest und Debatten, wie sie für dringend nötige gesellschaftliche und politische Änderungen unabdingbar sind. Sondern eher zu Überheblichkeit: Der
ethische Konsument kauft sich nicht nur frei von seiner Verantwortung, er kann sich auch noch besser fühlen als die, die "falsch" einkaufen.
Ablasshandel der Moderne
Abgesehen davon, dass es zynisch ist, die Verwirklichung von Menschenrechten und Klimaschutz daran zu knüpfen, ob dem Kunden der Zustand der Welt beim Shoppen einfällt: Es gibt kein richtiges
Einkaufen im falschen Weltwirtschaftssystem. Angebot, Nachfrage und reale Probleme sind nicht deckungsgleich. Der ethische Konsum ist ein Ablasshandel, der dafür sorgt, dass unter einem grünen
Mäntelchen alles bleibt, wie es ist: Die Unternehmen können ihr folgenschweres Wirtschaften beibehalten, die Konsumenten ihren aufwendigen Lebensstil.
Indem die Lifestyle-Ökos gesellschaftliche Debatten an die PR-Abteilungen der Konzerne delegieren und deren Moralversprechen glauben, zementieren sie das ungerechte System, das für die
Probleme verantwortlich ist, die sie mit ihrem Konsum lösen wollen. Unternehmen handeln nicht nach ethischen Grundsätzen, sondern in Strukturen, die ihnen krisensicheren Profit bescheren. Sie
machen umso mehr Gewinn, je billiger sie produzieren. Das geht am besten da, wo sie auf Menschenrechte und Umweltschutz keine Rücksicht nehmen müssen: in armen Ländern. Unternehmen haben großes
Interesse, diese Strukturen zu erhalten. Indem sie "Verantwortung" suggerieren, bringen sie sich nur aus der Schusslinie.
Es ist ein Trugschluss, dass Unternehmen nur nach den Wünschen der Kunden schielen. Sie sind so mächtig, weil sie mehr Einfluss auf die Politik nehmen alswir Bürger. Wer glaubt, die
Wirtschaft sei leichter zu ändern als die Politik, gefährdet die Demokratie. Die ist nur lebendig, wenn wir uns als Bürger verstehen, Probleme offen diskutieren und unsere Anliegen in die Politik
tragen. Wir sollten uns also wieder an Bäume ketten, anstatt an Weihnachten korrekte Geschenke darunter zu legen.