Kultur

Schrille Republik Österreich

von ohne Autor · 17. Februar 2011
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Eines dieser Markenzeichen ist der weit verbreitete Rechtspopulismus, der auch in höchsten politischen Kreisen als salonfähig gilt. Ganz zu schweigen vom Abwehrreflex weiter Teile der Bevölkerung gegenüber all jenen Zugereisten, die länger bleiben wollen als nur zur Sommerfrische. Laut einer Umfrage sind 65 Prozent der Österreicher überzeugt, in ihrem Land lebten zu viele Zuwanderer. Dazu passt die mehrheitsfähige Ablehnung der europäischen Integration. Seit dem Beitritt Österreichs zur EU und deren Osterweiterung nehmen die entsprechenden Debatten immer bizarrere Auswüchse an.

Rechtspopulisten und Medien

Der außergewöhnliche Rückhalt von Rechtspopulisten in Politik und Medien als Folge einer gewissen Wagenburgmentalität ist bekannt. Doch wurde dieses Phänomen selten so schonungslos und in seiner ganzen Brisanz offen gelegt wie in Kraskes Buch "Ach Austria. Verrücktes Alpenland." Was nach einer launigen Bilanz ihrer Zeit als "Spiegel"-Korrespondentin in Wien klingt, ist das genaue Gegenteil.

Zwar lässt die Autorin persönliche Erfahrungen und Begegnungen einfließen. Im Kern geht es ihr jedoch um eine Analyse der politischen Kultur in der Alpenrepublik, die zugleich der Versuch eines Psychogramms der österreichischen Gesellschaft ist. Im besten Reportagestil verwebt sie wissenschaftliche Erkenntnisse mit eigenen Beobachtungen und Einschätzungen zu einer gleichermaßen informativen wie spannenden Erzählung.

Politische Kultur, braun gefärbt

Jene politische Kultur, so zeigen auch die zahlreichen Expertenmeinungen und Umfragen, die Kraske heranzieht, ist im mehrfachen Sinne braun gefärbt. Da ist etwa der Mythos von Österreich als "erstem Opfer" der Nazis. Bis in die späten 80er-Jahre verhinderte er eine ernsthafte öffentliche Aufarbeitung der eigenen NS-Vergangenheit. Mit Folgen bis heute. Auch die gegenwärtige österreichische Politik liefert viele Beispiele für die "verrückten politischen Maßstäbe".

Zu den prominentesten zählt die Wahl des FPÖ-Politikers Martin Graf zum stellvertretenden Parlamentschef. Graf war zuvor unter anderem wegen seiner Kontakte zur rechtsextremen Szene heftig kritisiert worden. Gebracht haben die Proteste nichts. Das, so Kraske, liegt an einer Art Burgfrieden zwischen den Volksparteien und dem überwiegenden Teil der Massenmedien, die "Politprovokateuren mit zweifelhafter Gesinnung" den Boden bereiten.

Heimatliebe und Stammtischparolen

Deren Archetyp ist der frühere Kärntner Landeshauptmann und Ex-FPÖ-Chef Jörg Haider. Über dessen Tod vor gut zwei Jahren hinaus prägt sein schrilles Gebräu aus Heimatliebe, Stammtischparolen und kalkuliertem Tabubruch den politischen Diskurs. Und das nicht nur in Kärnten. Gerade anhand jener beliebten Urlaubsregion macht Kraske deutlich, welche Folgen der Schulterschluss zwischen einem Polit-Demagogen und einem ohnehin nicht gerade weltoffenen Mainstream in der Bevölkerung haben kann: In Kärnten ist es der offene Bruch der Verfassung. Bis heute weigert sich die dortige Landesregierung, die slowenische Minderheit als gleichberechtigte Mitbürger zu behandeln. Das macht nicht nur der ungelöste Streit um zweisprachige Ortstafeln deutlich.

Zugegeben: Kraske zeichnet ein düsteres, wenn nicht gar einseitiges Bild von Österreich. Für etwas Aufhellung sorgt ihr Verweis auf das im Jahr 1998 verabschiedete Kunstrückgabegesetz, das sie als vorbildlich für den Umgang mit Nazi-Raubkunst bezeichnet. Ebenso betont die 42-Jährige, ihr Buch richte sich nicht gegen die Menschen. Doch gerade deren Wahlverhalten, lässt sich im Umkehrschluss sagen, entscheidet über den Erfolg oder Misserfolg von politischen Rattenfängern. Nicht nur, aber eben auch in Österreich.

Marion Kraske: "Ach Austria! Verrücktes Alpenland. Ein Beobachtungsreise zu Österreichs Merkwürdigkeiten", Molden Verlag, 2009, 256 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-85485-240-7

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