Kultur

Rom in Berlin

von Dagmar Günther · 27. Februar 2008
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Normalerweise wechseln die Ausstellungen im Berliner Martin-Gropius-Bau alle paar Wochen. Die Konzepte sind interessant, ob es sich nun etwa um Rundlederwelten, um internationale Kunstausstellungen, um Berlin, Berlin-Moskau/Moskau-Berlin, um Schauen zur Internationalen Bauausstellung, um Preußen, um ein Walter-Benjamin-Happening oder allgemein um den Zeitgeist handelt . Am Abend des 20. Februar, einem Tag mitten in der Woche, war es einmal anders. Es wurde eine Ausstellung gezeigt, die nur an einem einzigen - eben diesem - Tag (oder genauer gesagt: in dieser Nacht) zu sehen war. Die vorjährigen Stipendiaten der Villa Massimo in Rom präsentierten ihr Können. Und das war beeindruckend.

"Da wäre man selbst gern dabei gewesen", so war es an diesem Abend einige Male zu vernehmen, waren doch auch relativ viele eingeladen, die es nicht geschafft hatten, zum Kreis der Auserwählten zu gehören. Aber vielleicht klappt es ja das nächste Mal.



Danksagung besonderer Art


Alle Sparten von Literatur bis Video und Skulptur waren vertreten. Der bekannte Autor Ingo Schulze, dessen Bücher in 27 Sprachen übersetzt wurden ("Simple Storys, Neue Leben, Handy - Dreizehn Geschichten in alter Manier, alles Berlin Verlag) hielt als Vertreter der Stipendiaten eine vor Witz sprühende Rede. Zu Zwecken ironischer Verfremdung begab er sich dabei virtuell in die Welt eines Hundes, der in der römischen Villa nur ein geduldeter Gast sein könnte, denn Haustiere sind (laut Hausordnung) nicht erlaubt.



Literatur, Video, Skulptur, Musik …


Alle ironisch-witzige Verfremdung täuschte jedoch nicht darüber hinweg, dass der elfmonatige Aufenthalt für Schulze wie für alle anderen eine Zeit fruchtbaren Gedankenaustauschs in förderlicher Umgebung war. Dazu trug sicher auch die Tatsache bei, dass zeitgleich eine breite Palette künstlerischen Schaffens vertreten war: Malerei, Musik, Poesie und Prosa literarischen Schaffens, Installationen, Videos …

Zu den mit dem bedeutenden Stipendium Ausgezeichneten Schreibenden, Malenden, Konponierenden, Filmenden und Fotografierenden oder Installationen von z.T. gewaltigen Ausmaßen Schaffenden gehörten:

- die in Rumänien geborene, heute in Hamburg lebende Fotografin, Video- und Installationskünstlerin Aurelia Mihai,

- der Stuttgarter Poet Ulrich Stolterfoht,

- der in Karl-Marx-Stadt (heute wieder Chemnitz) geborene und in Berlin lebende Landschaftsarchitekt und bildende Künstler und Musiker Carsten Nicolai,

- der Berliner Architekt Rudolf Finsterwalder,

- der in Moskau geborene und in Berlin lebende Komponiste Anton Safronow,

- der aus Westfalen (Elte) nach Sachsen (Leipzig) gezogene Maler und Meisterschüler des Leipziger Malers Sighard Gille, Matthias Weischer,

- der Münchner Komponist und Gitarrist Dieter Dolezel,

- der Bildende Künstler Stefan Mauck (Stade, Braunschweig),

- die Berliner Architektin und Rauminstallateurin, Wieka Muthesius (Deutscher Sonderpreis für Architektur/ Teilnahme an der 9. Biennale Venedig).

Alternativ Villa Casa Baldi

Der Lyriker Jan Wagner, der sich drei Monate in der Villa Casa Baldi aufhielt, zählte ebenfalls zu dem exklusiven Kreis. Für dieses Stipendium können sich die Kreativen alternativ zur Villa Massimo bewerben. Wagner las aus den 2001, 2004 und 2007 im Berlin Verlag erschienenen Gedichtbänden "Probebohrung im Himmel", "Guerickes Sperling" und "Achtzehn Pasteten".

Ulrich Stohterfohts Lesung aus dem 2007 bei Urs Engeler Editor Basel/ Weil am Rhein publizierten "holzrauch über heslach" führte unmittelbar in das römische Erleben der Ausgezeichneten hinein, thematisierte zufällige und nicht zufällige Begegnungen mit italienischer Wirklichkeit und welche Gefühle diese Begegnungen auslösten.

Es ist ein Vorzug des Aufenthalts in der Villa Massimo, dass deutsch-italienische Begegnungen zum Programm gehören, wobei auch der persönliche multikulturelle Hintergrund einiger Stipendiaten und Stipendiatinnen zusätzlich für Internationalität sorgt und das vielfältige Bild Deutschlands heute im Ausland zu zeichnen vermag.

Honoratioren

Es war erfreulich einmal von kulturellen Förderaktivitäten deutscher Unternehmen (hier Sparkassen-Kulturfonds des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes) zu hören. Ohne diese finanzielle Stützung wäre das reichhaltige Förderprogramm, das auch Kontakte zu deutschen und römischen sowie italienischen Kulturinstituten vor Ort, zu Verlagen, Agenturen und Galerien und ebenfalls Einzelpräsentationen (Ausstellungen, Lesungen, Konzerte) sowie die Teilnahme an Editionen (Kataloge, Bücher, CD's) und Veranstaltungen Deutschen Akademie Rom Villa Massimo beinhaltet, auf Dauer kaum realisierbar. Zum Gelingen des Gesamtvorhabens trägt auch der Medienpartner Deutsche Welle bei.

Das Mäzenatentum des Sparkassen-Kulturfonds reiht sich dabei in ein schon historisches Mäzenatentum ein, das begründet wurde, als die zwischen 1910 bis 1914 erbaute Villa Massimo (kürzerer Name für Deutsche Akademie Rom Villa Massimo) durch den 1840 geborenen und 1925 verstorbenen Berliner Unternehmer und Mäzen Eduard Arnhold zusammen mit dem Stiftungskapital von 680 000 Reichsmark dem preußischen Staat geschenkt wurde.

Viele international bekannt gewordene Künstler konnten seither dort gefördert werden. Die Sparkassen-Finanzgruppe fördert hier wie auch an anderen Orten wichtige kulturelle Vorhaben (2005 über 122 Mio. Euro). und ist mit ihrem finanziellen Engagement auf diesem Sektor der größte nicht-staatliche Kulturförderer in Deutschland.

Gelungener Abend

Mit Fanfarenklängen (Till Brönner), Lesungen, Konzerten, Videos, Klang- und Rauminstalltationen war die zweite "römische" Nacht insgesamt ein abwechslungsreicher und gelungener Abend im Gropiusbau, dem von den Architekten Martin Gropius und Heino Schmieden von 1877 bis 1881 im Stil der italienischen Renaissance konzipierten Gebäude.

Dorle Gelbhaar

Autor*in
Dagmar Günther

war bis Juni 2022 Chefin vom Dienst des vorwärts.

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