In der Weimarer Republik gärt es. Politische und soziale Unruhen erschüttern Berlin. Endlich eine demokratische Gesellschaft, ein von Sozialdemokraten regierter deutscher Staat und trotzdem
geht es den Arbeitern schlecht! Die Arbeiterführer und KPD-Gründer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht sind ermordet worden. Die Mörder werden nicht gefunden, könnten aber in den Kreisen zu suchen
sein, die eine Politik der Wiederaufrüstung betreiben und auch gegen die junge Republik konspirieren. Der Kapp-Putsch kündigt sich an. Die demokratischen Kräfte haben es schwer.
Fiktiv, aber historisch real
In dieser Situation setzt Gunnar Kunz' Buch ein. Er erzählt einen fiktiven Kriminalfall, der sich jedoch in der Schilderung der Zustände an die historische Realität hält. Kunz - bekannt als
Verfasser einiger tiefsinniger Prosaerzählungen und Theaterstücke - nutzt die Form des historischen Kriminalromans aber nicht nur dazu, die Geschichte der Weimarer Republik lebendig werden zu
lassen. Er ergreift zugleich die Chance, Fragen, die sich in Politik und Gesellschaft immer wieder ergeben, neu zu stellen. Nachwort und Quellenverzeichnis des Buches zeugen von sorgfältiger
Recherche.
Der Gefahr, den Kriminalfall mit all zu viel Historie und gesellschaftlicher Problematik zu überfrachten, entgeht der Autor durch dessen geschickte Konstruktion: Max Unger, ein schwerreicher
Industrieller, ist auf brutale Weise ermordet worden. Der ermittelnde Kommissar stößt auf Spuren, die einen rechtsextremen Hintergrund befürchten lassen. Wird er sich im Fortgang der Ermittlungen
mit rechten Kräften auseinandersetzen müssen?
Störung und Beförderung
Er bittet seinen Bruder, einen Universitätsgelehrten, um Hilfe bei der Auswertung einiger dubioser Texte. Die enthalten ein Sammelsurium von philosophischen Bezügen, die offensichtlich rechte
Gewalt rechtfertigen sollen. Bei diesem Unterfangen wird der Professor von in den Mord an Luxemburg und Liebknecht verwickelten Studenten attackiert. Noch dazu verstrickt er sich in Beziehungen zu
einer jungen Angehörigen der Unger-Familie. Dabei wird diese Familie abgesehen von jener jungen Frau und einem jüngeren Unger-Bruder recht negativ gezeichnet.
Der skurrile Professor und die sympathische Frau verbünden sich. Sie stören und sie befördern die Aufklärung. Als sie bei ihren detektivischen Ausflügen in die Kreise der künftigen
Putschisten eindringen, gerät der Professor in Lebensgefahr. Nicht weniger schockierend ist es für die Hobbydetektive, als sie die Familie eines zum Kreis der Verdächtigen gehörenden
kommunistischen Arbeiters kennen lernen. Der ermordete Industrielle war dessen Arbeitgeber und Vermieter gewesen. Er hatte den Arbeiter nicht nur mit einem Niedrigstlohn bezahlt sondern zugleich
mit Exmittierung bedroht.
Fragen über Fragen
Die Handlung fließt leicht dahin, auch wenn der Fall zum Schluss eine überraschende Wendung nimmt. Was bleibt sind die Fragen, die die Schilderung des Umfelds ausgelöst hat: Müsste es den
Arbeitern nicht besser gehen, wenn eine sozialdemokratische Arbeiterpartei an die Macht kommt? Welche Mittel hat eine bürgerliche demokratische Regierung, um den Wirtschaftsaufschwung zu fördern,
sozialen und politischen Unruhen zuvorzukommen und das Leben in diesem Land insgesamt lebenswert werden zu lassen? Fragen können hier allerdings nur gestellt, nicht beantwortet werden.
Dorle Gelbhaar
Gunnar Kunz: "Dunkle Tage. Ein Kriminalroman aus dem Berlin der Weimarer Republik", Sutton-Krimi, Sutton Verlag, Erfurt 2007, 191 Seiten, 9,90 Euro, ISBN-10:3-86680-072-X,
ISBN-13;978-3-86680-072-4
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