Roland Seidl, selbst Lehrer für Mathematik und Physik in der Sekundarstufe I in Hessen, weiß wovon er spricht. Er kennt das Dilemma aus eigener Erfahrung. Das deutsche Schulsystem mit seinen veralteten und überholten Strukturen verhindere zeitgemäßes Lernen und bremse notwendige Reformen.
Schonungslose Auseinandersetzung
Die aktuelle Situation analysiert der Autor schonungslos. Wo Angst regiert, kann nicht konstruktiv gelernt werden. Noten und Arbeitsblätter sind nicht alles. Und Schüler, die "lieber intelligent gucken, als mit angeblich dummen Fragen aufzufallen", gar nichts. Durch die Institution des Sitzenbleibens und damit notwendiger zusätzlicher Lehrerstellen, die Nachqualifizierung von Schulabbrechern, ausgebrannte Lehrer und Vandalismus an Schulen werden zusätzlich Milliarden hohe Kosten verursacht.
Kluge Ratschläge
Beim Vergleich der verschiedenen Schultypen kommen die Gesamt- und Gemeinschaftsschulen noch am besten weg. Aber auch dort gilt: "Kinder sind keine Fässer, die gefüllt sondern Feuer, die entfacht werden müssen", wie der Schriftsteller, Arzt und Priester Francois Rabelais bereits vor 500 Jahren feststellte. Aber wie kann das Feuer entfacht werden, wenn schon die Architektur vieler Schulen heute einen Fluchtreiz auslöst, fragt Seidl und zitiert Albert Schweitzer: "Menschen bauen Häuser und Häuser bauen Menschen".
Schulen einreißen, so Seidl, heißt sie umzustrukturieren: architektonisch und organisatorisch. Heißt aber auch umzudenken in vielerlei Hinsicht: z.B. welcher Wert welchen Fächern zugebilligt wird, warum Noten schulische Leistungen nicht abbilden und Computer das Bildungsniveau senken können oder warum Motivation angesichts Perspektivlosigkeit schwierig ist. Es könne künftig nicht mehr darum gehen, die "schlechten" Schüler auszusortieren. Vielmehr müssten die individuellen Potenziale aller Schüler erkannt und gefördert, individuelles und eigenverantwortliches Lernen möglich werden. Und dies müsse nicht in jedem Fall. mehr Geld kosten.
Gespiegelte Wahrheiten
Roland Seidl schreibt aus der Sicht das Praktikers: schonungslos kommentierend, klug aufdeckend und mitunter auch einfach ratlos betrachtend. Nicht für alle Probleme hat er eine Lösung aber er bietet Wege zum Nachdenken an.
Er wolle "nicht anklagen, sondern gleichsam allen am System Beteiligten einen Spiegel vorhalten, der ungeschminkt, eins zu eins, die Schwächen und Stärken unseres Schulsystems erkennen lässt." Das ist ihm gelungen. Er ermutigt geradezu zu den notwendigen Veränderungen.
Mehr Informationen unter www.diekindersindunserezukunft.de
Roland Seidl: "Reißt diese Schulen ein", Kösel Verlag, München 2009, 236 Seiten, 17,95 Euro, ISBN 978-3-466-30855-2