Kultur

Putins unheimliches Imperium

von Jörg Hafkemeyer · 23. Mai 2012

Es ist spannendes Buch über das politische System in Russland, über seine mächtigen, reichen, verschlagenen Akteure. „Gazprom – Das unheimliche Imperium“von Jürgen Roth endet nach 290 Seiten mit folgenden Sätzen: „Der politische Frühling hat in Russland erst sehr spät eingesetzt. Aber er wird, wenn er nicht brutal unterdrückt werden wird, eine kritische Bürgergesellschaft ermöglichen.“

Anteilseigner Wladimir Putin

Jürgen Roth ist es gelungen über ein verfilztes, korruptes polit-ökonomisches System  zu schreiben, das sich seit dem Machtantritt Wladimir Putins im Jahr 2000, organisiert, herausgebildet, machtvoll entwickelt hat. Eine Zerstörung, Vernichtung scheint ähnlich unmöglich, wie die einer Hydra – ist ein Kopf abgeschlagen, wächst der nächste nach.

Gazprom erwirtschaftete 2010 einen Gewinn von knapp 24 Milliarden Euro. Zu dem Imperium gehören die unterschiedlichsten Unternehmen: Fluggesellschaften und Banken. Sie fördert Erdöl und Erdgas. Sie transportiert es – auch nach Deutschland. Vor allem aber gehören ihr in der ganzen Welt Gasunternehmen. Gazprom hält Fußballvereine, eigene Zeitungen und Fernsehsender, Versicherungen und Baufirmen. Die Firma hat einen Anteilseigner: Wladimir Putin mit 4,5 Prozent. Noch Fragen?

Gazprom als politische Waffe

Jürgen Roth bezeichnet Gazprom als eine politische Waffe in einem undemokratischen System. Als Putins Waffe. Auf 26 Seiten, und das ist für Arbeiten dieser Art denkbar ungewöhnlich, legt Roth seine Quellen offen, dokumentiert seine Recherchen. Er zeigt mit beeindruckender Gründlichkeit und einigem Mut die Unheimlichkeit von Gazprom auf.

Jürgen Roth ist ein deutschlandweit anerkannter Fachmann für Mafiastrukturen und organisierte Kriminalität. Und Gazprom ist ein gefährlicher Konzern. Nicht allein wegen seiner Geschäftspraktiken. Die gibt es auch in den USA, in Großbritannien oder in Deutschland.

Doch Gazprom ist ohne den Kreml, vor allem aber ohne Wladimir Putin nicht denkbar. Er hat alle wichtigen Positionen im In- wie Ausland, mit Freunden, Vertrauten und Günstlingen besetzt. Sie stammen entweder aus seiner politischen Umgebung oder aus den Geheimdiensten. Wie praktisch, dass der Konzern einen eigenen Nachrichtendienst betreibt und eine Art Armee.

Unterstützung der westlichen Welt

Ein besonders spannendes Kapitel in Roths  Buch trägt die Überschrift: „Die deutschen und europäischen Amigos des Systems Putin-Gazprom“. Es beginnt mit dem Hinweis des russischen Oppositionspolitikers Grigori Jawlinski, der davon spricht, „…dass das System Putin … erst durch die massive Unterstützung der westlichen Welt möglich geworden sei. Einen besonderen Anteil daran haben US-amerikanische Anwaltskanzleien und europäische Lobbyagenturen, was das Reinwaschen sowohl von russischen Topkriminellen wie auch von Wladimir Putins Amigos und Gazprom angeht“. Die Zusammenhänge sind bestürzend und wirken bedrohlich.

Dieses lesenwerte Buch beginnt sehr ruhig, fast beschaulich in der Gemeinde Lubmin. Dann nimmt das Buch mehr und mehr Fahrt auf, zieht den Leser in ein Geflecht, ein Gestrüpp, in einen Sumpf hinein. Spannender als viele Kriminalromane. Die Wirklichkeit ist eben doch sehr konkret.

Jürgen Roth: „Gazprom – Das unheimliche Imperium“, Westend Verlag, Frankfurt 2012, 317 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-86489-000-0

Autor*in
Jörg Hafkemeyer

ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).

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