Kultur

Politische Hinterlassenschaft eines Landesvaters

von Dagmar Günther · 22. August 2008

Johannes Rau gilt als einer der "Großen" in der SPD. Sein Name steht für eine charismatische Persönlichkeit, die stets nah am Volk geblieben ist. Das von den Historikern Klaus Tenfelde und Jürgen Mittag herausgegebene Buch "Versöhnen statt spalten" enthält zahlreiche Aufsätze. Sie entstanden sind im Rahmen eines wissenschaftlichen Symposiums, veranstaltet durch das Institut für soziale Bewegungen an der Ruhr- Universität Bochum. Es sollte zunächst anlässlich des 75. Geburtstags des SPD Politikers stattfinden. Rau wollte persönlich daran teilnehmen, um mit Weggefährten, Kontrahenten, Zeithistorikern und Sozialwissenschaftlern zu diskutieren. Er erlebte seinen Geburtstag allerdings nicht mehr. Die Organisatoren sagten das Symposium ab. Statt gefunden hat es schließlich ein Jahr später, der Anlass war ein trauriger: Der erste Todestag von Johannes Rau.

"Versöhnen statt spalten" ist nicht nur der Titel des Buches. So lautete auch das Motto des Kanzlerkandidaten im Bundestagswahlkampf 1987. Und es ist sogar mehr als Buchtitel und Wahlkampfslogan, denn dieses Motto beschreibt den Regierungsstil Raus. Gegen den Kanzlerkandidaten Helmut Kohl konnte er sich 1987 dennoch nicht durchsetzen. Erst zwölf Jahre später sollte Rau den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn erleben. Er wurde nach Gustav Heinemann zum zweiten sozialdemokratischen Bundespräsidenten gewählt. Eine weitere Kandidatur strebte der Bundespolitiker nach seiner ersten Amtszeit allerdings nicht mehr an.



Dutschke als Sinnbild


Die Aufsätze spiegeln die wichtigsten Lebensstationen des Bundespräsidenten a.D. wieder. Sie vermitteln die vielen Facetten des Staatsmanns. Dokumentiert werden seine Verdienste in der Bildungs-, Umwelt-, Integrations- oder Strukturpolitik. Zahlreiche Informationen liefern die Autoren über den Landesvater Rau, über seine Tätigkeit als NRW-Ministerpräsident. Mehrfach aufgegriffen wird auch die Begegnung mit Rudi Dutschke in Bochum Wattenscheid, die sinnbildlich für die Geradlinigkeit des Politikers Rau steht. Seine Kollegen scheuten das Gespräch mit dem Studentenführer wie der Teufel das Weihwasser, Rau ließ sich auf eine Diskussion ein.

Insgesamt wird ein Loblied auf den Sozialdemokraten gesungen. Im Buch finden sich nur wenige kritische Töne. "Versöhnen statt spalten" ist keine wissenschaftliche Überblicksdarstellung. Die Aufsätze behandeln jeweils spezielle Themenbereiche. Es eignet sich besonders, um sich ein umfassendes Bild über einzelne Aspekte des Regierungshandelns von Johannes Rau zu verschaffen.



Anke Schoen


Klaus Tenfelde und Jürgen Mittag: Versöhnen statt spalten, Asso Verlag, 2007, 416 Seiten, 29,90 Euro,

ISBN 978-3-938834-28-2

Autor*in
Dagmar Günther

war bis Juni 2022 Chefin vom Dienst des vorwärts.

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