Kultur

Ohne modischen Firlefanz

von Jörg Hafkemeyer · 10. Januar 2012

Ein halbes Jahrhundert Radio. Deutschlandweit. Zunächst auf der Lang- und Mittelwelle, später auf der UKW (FM). Fast drei Jahrzehnte im geteilten Deutschland als Deutschlandfunk, ab 1994 als Deutschlandradio mit dem Deutschlandfunk (DLF) in Köln und den Deutschlandradio Kultur in Berlin.

Es ist das einzige öffentlich – rechtliche Radio, das im ganzen Land ausgestrahlt wird. Täglich 24 Stunden, ohne Werbung. Willi Steul, der Intendant, erinnerte an den Jahresbeginn 1962, wenige Monate nach dem Bau der Berliner Mauer: „Der Deutschlandfunk richtete sich in den ersten zehn Jahren vornehmlich an die Bürger der DDR.“ Am Abend des ersten Tages auf Sendung, es ist der 1. Januar 1962, spricht Bundespräsident Heinrich Lübke: „Man kann jene Mauer (…) höher oder stärker machen, man kann eine zweite und eine dritte ziehen, den letzten Fluchtweg blockieren oder selbst einen festtäglichen Besuch von Kindern bei den Eltern unterbinden. Noch aber gibt es Ätherwellen, die von uns zu ihnen hinüberreichen (…).“

Der Sender definiert sich vom ersten Tag an mit seinem 24-stündigen Programm über die aktuellen sowie die Hintergrundinformationen, verweigert modischem Firlefanz. Der erste Intendant, Günter Starke, versprach den Bürgern in der DDR „die entpolitisierte und entgiftete Wahrheit.“ Der DLF war schon zwei Jahre nachdem er auf Sendung gegangen war die einzige  Rundfunkanstalt mit stündlichen Nachrichten. Die Programmstruktur ist nach wie vor übersichtlich und von einem Grundgedanken geprägt: Zwischen den Nachrichten, die unterdessen halbstündlich ausgestrahlt werden, gibt es Hintergrundsendungen zu politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Fragen. Allerlei Fachsendungen sowie die langen Informationsschienen am Morgen, am Mittag, am Abend und vor Mitternacht. Ferner Hörspiele und lange Musikstrecken.   

Werbefrei und durch Gebühren finanziert
Die ersten gesamtdeutschen Nachrichten werden am 1. Januar 1962 um 16 Uhr ausgestrahlt. Das auf einer Schreibmaschine getippte Manuskript ist als historisches Dokument erhalten und umfasst auf 12 Seiten sechs Nachrichtenblöcke. Einen über einen gescheiterten Putsch in Portugal, einen weiteren über eine politische Krise in Indonesien, Auszüge aus der Neujahrsansprache des DGB-Vorsitzenden und Neujahrsbotschaften. Das Wetter. Es sind Nachrichten- und Informationssendungen, das hört man schon in jenen ersten Jahren des Senders, die sich an derTradition der britischen BBC orientieren, des ersten öffentlich–rechtlichen Senders in Europa. Gegründet 1922, werbefrei und durch Gebühren finanziert. Und ähnlich wie die BBC baut der DLF in den folgenden 20 Jahren ein Inlands- und Auslandskorrespondentennetz auf, das heute, teilweise zusammen mit der ARD betrieben, zu den dichtesten auf der Welt gehört.  

Noch als Bonn Bundeshauptstadt war gehörten die zwischen fünf und neun Uhr ausgestrahlten Informationen am Morgen mit ihren Interviews, Korrespondentenberichten und Reportagen zum wichtigsten und meistgehörten Radioprogramm in Deutschland. Daran hat sich nach der Wiedervereinigung nichts geändert. Wohl aber ist die Anstalt deutlich größer und programmstärker geworden. Intendant Willi Steul: „Es gilt heute, die Menschen in ganz Deutschland über die Politik und das kulturelle Geschehen aus allen Ländern zu informieren. So war es folgerichtig (..) 1994 den Deutschlandfunk (Köln) mit dem Berliner RIAS und dem ehemaligen DDR-Programm Deutschlandsender Kultur unter einem im neu gegründeten Deutschlandradio zu vereinigen. Mit dieser ersten Fusion im öffentlich-rechtlichen Hörfunk entstand in Deutschland als neues Medienunternehmen ein nationaler Hörfunk.“   Und mit dem Dradio Wissen ist seit 2010 ein drittes Programm dazu gekommen. Herausragend ist mit 75% der Wortanteil der drei Programme, die regelmäßig von 6,4 Millionen Menschen eingeschaltet und von nahezu 1,6 Millionen Menschen täglich gehört werden.

Autor*in
Jörg Hafkemeyer

ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).

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