Kultur

Neue Männer braucht das Land

von Edda Neumann · 25. März 2009
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Jungs, so Andreas Gössling, gehören heutzutage zu einer neuen Problemgruppe: Es würden wesentlich mehr Jungen wegen des so genannten "Zappelphilipp-Syndroms" oder Magengeschwüren behandelt als Mädchen. Besonders betroffen seien Jungen mit Migrationshintergrund aus der "Unterschicht". Aber auch deutsche Jungen würden im schulischen Vergleich schlechter abschneiden als ihre Altersgenossinnen. Diese Probleme haben vielfältige gesellschaftliche Ursachen. Gössling vermutet ein Ungleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Elementen.

Vaterlose Gesellschaft?
Zu oft seien Väter im Alltag ihrer Kinder abwesend. Das sei natürlich keine Folge unserer Zeit, sondern wurde schon während der industriellen Revolution beklagt. Fakt sei, dass aufgrund einer langen Entwicklung die alten männlichen Verhaltensmuster nicht mehr funktionierten. Gleichzeitig verschwänden die männlichen Vorbilder aus dem Alltag der Kinder. Gössling beklagt in seinem Buch vor allem den Notstand in den Kinderbetreuungseinrichtungen, den Grundschulen, aber auch weiterführenden Bildungseinrichtungen, wo viel zu wenig Männer tätig seien. Damit sich das ändert, müsse der Berufszweig für jene erst attraktiv gemacht werden.

Es sollte in der Gesellschaft eine klare Vorstellung darüber geben, was moderne Väter ausmacht und welches Vorbild sie ihren Söhnen vermitteln. Denn deren Probleme gingen im Grunde genommen auf ein überholtes Vaterbild zurück. Der Autor bemängelt, dass zahlreiche junge Männer schon während der Schulzeit scheitern und so in den Teufelskreis von Gewalt und Kriminalität geraten. Wenn sich nicht schon sehr bald etwas verändert, dann werden sich die damit verbundenen Probleme im Sozialgefüge noch weiter verschlimmern, warnt Gössling.

Förderväter
Eine Erziehung nach patriarchalischen Muster könne nicht die Lösung sein. Auf diese Weise würden die Väter oft die alten Rollenbilder, nach denen sie selbst erzogen worden sind, an ihre Söhne weitergeben. Auch Vollzeitväter lehnt der Autor als Lösungsmodell ab, da Männer, die ganztägig zuhause sind, in die Rolle der Mütter verfallen würden.

Gösslings Vorschlag: das Fördervater-System. Neben den leiblichen Vätern kümmern sich zusätzlich ehrenamtlich junge und erfolgreiche Mentoren um die Jungs. Da gibt es gemeinsame Aktivitäten, wie Kino oder Sport, aber auch Gespräche. Ihre Förderväter sollen den Jungs helfen, sich in der leistungsorientierten und gleichzeitig von weiblichen Idealen geprägten Welt zurechtzufinden.

Moderne Männer
Der moderne Mann, so Gössling, soll künftig zu seinen männlichen wie weiblichen Eigenschaften stehen: emotional und kreativ und zugleich erfolgreich und strebsam sein.

Eine partnerschaftliche Aufteilung der Erziehungs- und Erwerbstätigkeit hält Gössling allerdings für unrealistisch. Die Männer würden zwischen dem alten Rollenklischee des Ernährers und der neuen Herausforderung Kindererziehung scheitern. Schade, dass er ihnen so wenig zutraut!

Bleibt also der Fördervater, der die Männlichkeitslücke schließen soll. Aber, ob der allein die Sache richten kann?

Der Autor schlägt einen großen Bogen vom alten Testament bis in die heutige Zeit, um seine These von der Benachteiligung der Jungs zu begründen. Das macht das Buch kulturgeschichtlich interessant. Mögliche Ursachen werden aufgezeigt. Doch fehlen mitunter konkrete und realistische Lösungsansätze für die Probleme.

Edda Neumann

Andreas Gössling: Die Männlichkeitslücke. Warum wir uns um die Jungs kümmern müssen, Zabert Sandmann 2008, 237 Seiten, 16,95 Euro, ISBN-13: 978-3898831994.

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