Kultur

Nahaufnahme eines Weltstars

von Birgit Güll · 19. April 2013

Er ist einer der bedeutendsten Künstler unserer Zeit: Georg Baselitz. Evelyn Schels’ Film-Porträt zeigt den Maler und Bildhauer als unermüdlich Schaffenden. Ein 75-Jähriger Kunststar, der jeder neuen Ausstellung entgegenfiebert und ein privates Familienidyll lebt.

Die Werke von Georg Baselitz sind heute in den bedeutenden Museen der Welt zu sehen. Auf dem Kunstmarkt werden die Arbeiten zu Spitzenpreisen gehandelt. Doch in den 1960ern sei es so gut wie unmöglich gewesen, einen Baselitz zu verkaufen, erzählt der Galerist Michael Werner im Film. Baselitz und seine Frau Elke halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. „Baselitz war immer und wollte immer ein moderner Künstler sein. Nur die Moderne die er wollte, die gab’s nicht“, sagt der Galerist Fred Jahn im Film.

Ein polizeilich beschlagnahmtes Gemälde

1962 trägt die Galerie „Werner & Katz“ dazu bei, einen Skandal rund um das Baselitz-Bild „Die große Nacht im Eimer“ auszulösen. Das Werk wird von der Polizei aus Sittlichkeitsgründen beschlagnahmt. Heute hängt es im Museum Ludwig in Köln. Damals ist die Aufregung groß. Der Skandal führt nicht zum Ruhm. Dem Ehepaar Baselitz ist die Lage in Berlin zu aufgeheizt, es zieht nach Italien.

Bis heute hat der Künstler ein italienisches Atelier in Imperia. Er ist auch immer noch mit der gleichen Frau verheiratet. Evelyn Schels bekommt das Ehepaar gemeinsam vor die Kamera. Gefährten, die ihre Tage seit mehr als 50 Jahren gemeinsam verbringen. „Wir sind wirklich 24 Stunden zusammen. Wir unterhalten uns, wir streiten uns – alles Mögliche; ich weiß genau, was er macht. Ich weiß genau, was entsteht“, sagt Elke Baselitz.

Sie ist die Erste, die neue Arbeiten sieht. Er schätzt ihre Kritik: „Sie braucht mich ja nur anzuschauen, dann weiß sie, ich habe Mist gemacht“, sagt Baselitz. Sie müsse schon auf das Bild schauen, um es beurteilen zu können, ergänzt seine Frau und der Zuschauer bekommt einen Eindruck von dieser Beziehung, die permanenter Austausch zu sein scheint. Die Söhne sind erwachsen, beide sind Galeristen. Schels holt sie vor die Kamera. Sie erzählen von einem Vater, der mit dem Alter ruhiger und ausgeglichener wurde.

Malen auf dem Fußboden

Die Regisseurin hat Georg Baselitz in seinen Ateliers in Italien und am Ammersee gefilmt. Die Kamera rückt nahe an den Künstler heran. Baselitz arbeitet auf Knien an seinen großformatigen Bildern. „Ich arbeite sehr flüssig, sehr dünn und sehr schnell“, sagt er. Damit die Farbe nicht runter läuft, legt er die Bilder auf den Boden. Baselitz arbeitet allein, ohne Assistenten. Egal ob er malt, oder seine riesigen Holzskulpturen aussägt. Um die zu schaffen, schneidet er mit einer Motorsäge aus riesigen Holzstämmen Stück für Stück seine Skulpturen heraus.

Nationalsozialistischer Vater

Im Januar ist Georg Baselitz 75 Jahre alt geworden. Als Hans Georg Kern kam er 1938 in Deutsch-Baselitz zur Welt. Von dem Geburtsort hat er seinen Künstlernamen abgeleitet. Baselitz ist ein Kriegskind, der Vater war Nazi. Der durfte nach dem Krieg in der DDR nicht mehr als Lehrer arbeiten, sondern als Schlammräumer – eine Art Müllmann. Ob Baselitz sich geschämt habe, fragt Schels. Nein, antwortet er. Scham habe er keine empfunden, aber Wut. Vor der Kamera erzählt der Künstler von dem schwieriges Verhältnis zu dem nationalsozialistischen Vater.

Baselitz studiert Malerei an der Ostberliner Kunsthochschule in Weißensee. Er ist ein Rebell, ein Halsstarriger. Wegen „gesellschaftlicher Unreife“ wird er ausgeschlossen und geht in den Westen, studiert an der West-Berliner Akademie. Gewollt habe er das nicht. „Ich war Kommunist“, sagt Baselitz. An der Hochschule lernt er seine Frau Elke kennen. Es folgen die dürren Jahre, keiner kauft Baselitz.

Weltruhm und Alltagssorgen

Den großen Durchbruch bringt die Biennale in Venedig 1980. Gleich zwei US-Amerikanische Galerien nehmen den Künstler danach unter Vertrag. Damit beginnt der internationale Erfolg von Georg Baselitz. Heute blickt er auf ein bedeutendes Werk zurück. Davon spricht er im Film nicht, er erzählt lieber von all seinen Ideen für die kommenden Jahre.  

Evelyn Schels hat 2004 bereits einen kürzeren Film über Georg Baselitz gemacht. Daraus entstanden eine Freundschaft zu dem Ehepaar und die Idee zu einem weiteren Film. Für den begleitet sie den Künstler drei Jahre lang. Sie darf in seine Ateliers. Sie ist bei den Vorbereitungen von Baselitz-Ausstellungen in Paris und New York dabei. Vor jeder Schau ist er nervös. „Ich bin wahnsinnig aufgeregt, als hätte ich so was noch nie gemacht“, sagt Baselitz. Schließlich zeige er immer neue Sachen: „Akzeptieren die Leute das? Lieben sie dich vielleicht sogar oder finden sie es langweilig?“ Schels Film-Porträt ist ein Blick hinter die Kulissen – keine Entzauberung, sondern eine sensible Nahaufnahme. 

Georg Baselitz, Regie: Evelyn Schels, D 2013, 105 Minuten

im Kino

Autor*in
Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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