Die neonationalsozialistische "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) war die 28. rechtsextreme Organisation, die seit 1992 verboten wurden. Die HDJ bezeichnete sich selbst als volks- und
heimattreue Jugendbewegung für alle deutschen Mädchen und Jungen. Die Aktivitäten des Vereins konzentrierten sich auf die Organisation von Zeltlagern und Familientreffen, die der Ausbildung und
Erziehung der Kinder und Jugendlichen im nationalistischen Sinne dienen sollten. Kinder und Jugendliche wurden bei der HDJ schon in jungen Jahren mit vordergründig unpolitischen Aktivitäten wie
der Pflege völkischen Brauchtums, Singen, Basteln und körperlicher Ertüchtigung für die rechtsextreme Szene gewonnen.
Blut- und Boden-Ideologie
Eine ähnliche Vorgehensweise wie die HDJ praktizieren zahlreiche völkische bzw. neurechte Gruppen und Lebensbundgemeinschaften. Nach außen hin gibt man sich harmlos, kleidet sich wie die
Pfadfinder, singt wie die Bündischen und geht wie die Wandervögel auf die Fahrt. Nach innen vertreten maßgebliche Kreise dieser Szene eine Blut-und-Boden-Ideologie und praktizieren die
Idealisierung des Volkstums.
In diesen bislang weithin nicht erforschten "Untergrund" ist das Autorenduo Baumgärtner und Wrede in monatelanger Recherche eingetaucht. Herausgekommen ist ein Standardwerk über
"Völkische und neurechte Gruppen im Fahrwasser der Bündischen Jugend heute", das dank eines Personen- und Sachregisters auch für die wissenschaftliche Arbeit erschlossen werden kann. Die
Darstellung erstreckt sich von der historischen Jugendbewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts über die Zeit der Neugründung nationalistischer Jugendbünde in den 50er und 60er Jahren
und stellt die heute aktiven völkisch-nationalistischen Gruppierungen im Fahrwasser bündischer und jugendbewegter Gruppen dar: darunter den "Freibund - Bund Heimattreuer Jugend", den "Sturmvogel
- Deutscher Jugendbund", den "Überbündischen Kreis" oder die "Fahrenden Gesellen - Bund für deutsches Leben und Wandern".
Völkische Verflechtungen
Die 1909 aus den Reihen der völkisch-antisemitischen Angestelltengewerkschaft "Deutschnationaler Handlungsgehilfen-Verband" gegründeten "Fahrenden Gesellen" feierten im Mai auf der
nordhessischen Burg Ludwigstein ("der Burg der Jugendbewegung") ihr 100-jähriges Bestehen. Mit dem "Deutsch Mädelwanderbund" verfügen die "Fahrenden Gesellen" über einen eigenen Mädchen- und
Frauenbund. Kenntnisreich berichten die Autoren über die Aktivitäten von "Neo-Artamanen" in den mecklenburg-vorpommerschen Ortschaften Koppelow und Klaber. Dort erfüllt sich, so die extrem rechte
Wochenzeitung "Junge Freiheit", eine "kleine Schar" von Familien "den Traum von einem unabhängigen Leben".
Die bäuerlich geprägte Gemeinschaft bewegt sich, so die Autoren, in der Nähe der "Artamanen". Der 1924 gegründete "Bund Artam" ging nach 1933 in der NSDAP auf. Gauführer der "Artamanen" in
Bayern war Reichsführer-SS Heinrich Himmler. Auch Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß gehörte den "Artamanen" an. Verbindungen pflegen die "Neo-Artamanen" zur "Deutschen Gildenschaft", einer völkisch
elitären Kleinstorganisation innerhalb des Korporationswesens . Maßgeblich von Mitgliedern der "Deutschen Gildenschaft" wurde die Gründung eines neurechten think tank um die "Junge Freiheit", das
"Institut für Staatspolitik" und den Verlag "Edition Antaois" betrieben.
Anton Maegerle
Baumgärtner, Maik / Wrede, Jesko: "Wer trägt die schwarze Fahne dort..." Völkische und neurechte Gruppen im Fahrwasser der Bündischen Jugend heute. Verantwortlich: Bildungsvereinigung
ARBEIT UND LEBEN Niedersachsen Ost gGmbH. Arbeitstelle Rechtsextremismus und Gewalt. Braunschweig 2009. www.arug.de; 210 Seiten, Schutzgebühr: 5 Euro
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