Mit den Augen der anderen
Als Polen 2004 der Europäischen Union beitrat, einte Deutschland und Frankreich eine Sorge: die vor einem unvermeidlichen Ansturm auf ihre jeweiligen nationalen Arbeitsmärkte. In Deutschland überlegte man, wie man die als sicher geltende polnische Armutszuwanderung verhindern könnte. Und in Frankreich fürchtete man sich vor dem „plompier polonais“, dem polnischen Klempner – ein Symbol für billige Arbeitskräfte, die den Franzosen die Jobs wegnehmen. Das polnische Tourismus-Büro nahm es mit Humor und erhob den Klempner 2005 zur Werbefigur: Ein junger, blonder Mann, gewandet in Handwerker-Kluft, schaut selbstbewusst aus seinem Plakat-Motiv. Der dazugehörige Slogan: „Ich bleibe in Polen. Kommt alle her!“.
Die Angst des „Tandems“ Frankreich und Deutschland vor dem polnischen EU-Beitritt war nicht nur unbegründet, sondern auch heuchlerisch. Schließlich bilden die drei Länder bereits seit August 1991 das sogenannte Weimarer Dreieck. Der Trialog der Länder sieht regelmäßige Treffen und Konsultationen der deutschen, französischen und polnischen Regierungen vor. Das wechselnde und nicht immer einfache Verhältnis der drei Länder zueinander thematisiert die Ausstellung „Weimar hoch drei“: 2011 anlässlich des 20. Jahrestages der Gründung des Weimarer Dreiecks konzipiert und an der Europa-Universität Viadrina (Frankfurt/Oder) ausgestellt, gastiert sie nun im Info-Café Berlin-Paris des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW).
3 mal 30 Karikaturen
Mithilfe von Karikaturen wirft die Ausstellung einen satirischen Blick auf das Verhältnis von Frankreich, Deutschland und Polen zueinander. Die Idee dahinter ist, mit den Augen des anderen auf Probleme und Entwicklungen im eigenen Land zu schauen. Für die Sektion „Schräge Blicke“ haben die Kuratoren Andreas Bahr, Walther Fekl und Thomas Serrier deshalb drei mal 30 Werke renommierter Karikaturisten ausgewählt: den Deutschen Klaus Stuttmann, den Polen Henryk Sawka und den Franzosen Jean Plantu. Vier Monate nach dem Anschlag auf das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ ist es ein schönes Zeichen, ausgerechnet das komplizierte Verhältnis von Polen, Deutschen und Franzosen mithilfe von Humor darzustellen.
Der Blick der Karikaturisten auf die anderen Länder ist manchmal boshaft. So kommt die ehemalige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, nicht gut weg: Sawka zeichnet sie als besenreitende Hexe. Viel öfter aber ist der Blick von außen voller Sympathie und Humor: Stuttmann zeigt den ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy kurz nach seiner Wahl 2007 in einer viel zu großen Uniform. „Passt haarscharf“, sagt Sarkozy – er müsse da nur noch „hineinwachsen“. Die Unterschiede zwischen den Karikaturisten treten deutlich hervor, nicht nur, was ihren Zeichenstil betrifft. So verwendet Plantu viele historische Bezüge, während Stuttmann eher darauf verzichtet.
Humor ist die beste Waffe
Die zweite Sektion zeigt unter dem Titel „Borderline“ Karikaturen zur Westgrenze Polens, der Oder-Neiße-Linie. Die ausgewählten Karikaturen zeigen hier ein differenziertes Bild insbesondere der deutschen Politik. So fährt auf einem Bild Helmut Kohl auf Schlittschuhen und in Schlangenlinien über den Grenzverlauf – eine Kritik am tatsächlichen Schlingerkurs des Bundeskanzlers, mit dem er die Unterzeichnung des Grenzvertrags immer wieder hinausschob. Auf einem anderen Bild wiederum unterschreibt Willy Brandt den Warschauer Vertrag und zeichnet dabei gleichzeitig den Grenzverlauf – eine Verbeugung vor der „Ostpolitik“ des deutschen Kanzlers.
„Weimar hoch drei“ macht deutlich, wie wichtig politische Satire ist, wie sehr Karikaturen gebraucht werden: Mit den Mitteln des Humors und der Übertreibung kann aufgedeckt werden, was sonst vielleicht im Hintergrund bliebe. Humor ist die beste Waffe – weshalb auch der so gefürchtete „polnische Klempner“ in der Ausstellung nicht fehlen darf. Mit einem Augenzwinkern und leichtem Federstrich seziert Henryk Sawka das Stereotyp des billigen Arbeiters: Er zeichnet ein Zusammentreffen des ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten Jarosław Kaczyński und des ehemaligen französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. „Was macht Carla eigentlich?“, erkundigt sich Kaczyński nach der Ehefrau des anderen. „Um die kümmert sich der polnische Klempner“ antwortet Sarkozy.
Die Ausstellung „Weimar hoch drei“ ist bis zum 17. Juni 2015 im Info-Café Berlin-Paris zu sehen, Molkenmarkt 1. Montags bis freitags von 13 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.