Das Gnadengesuch von Christian Klar sorgte in der ersten Hälfte dieses Jahres für heftige Diskussion in Politik und Medien. Die Frage, wie mit einem ehemaligen RAF Terroristen verfahren
werden sollte, gestaltete sich äußerst schwierig. Aber auch der 30. Jahrestag des Deutschen Herbstes ruft die blutigen Anschläge der RAF bei vielen Menschen wieder in Erinnerung.
Obwohl schon viele Publikationen mit verschiedenen Ansätzen zum Thema RAF erschienen sind, gibt es immer noch Nachholbedarf. Grund dafür sind vor allem die archivalischen Sperrfristen für
Dokumente der Bundesrepublik der 70er und 80er Jahre. Nach Ablauf dieser Fristen wird nun allmählich wissenschaftlich aufgearbeitet.
Daher konnte der Autor, Michael März, jetzt sozusagen als Erster eine gut fundierte und quellennahe Arbeit über zwei terroristische Aktionen des Jahres 1975 vorlegen: Die Entführung von Peter
Lorenz durch Mitglieder der "Bewegung 2. Juni" und die Botschaftsbesetzung in Stockholm durch das RAF "Kommando Holger Meins".
RAF und die "Bewegung 2. Juni" - zwei unterschiedliche linksterorristische Gruppierungen
Das Anliegen dieser Arbeit ist, beide Anschläge sowohl aus der Sicht des Staates, als auch der der Terroristen zu rekonstruieren. Zudem werden die Unterschiede zwischen den beiden
terroristischen Gruppen herausgearbeitet. Die "Bewegung 2. Juni" verschwindet in zahlreichen Publikationen hinter der RAF. März stellt ihre Eigenständigkeit und spezielle Bedeutung für die
Geschichte des Linksterrorismus heraus.
Im Falle der Lorenz-Entführung hebt er die Verantwortung dieser Gruppe hervor. Er analysiert deren Forderungen an den Staat. Hier kommt auch das Ministerium für Staatssicherheit ins Spiel.
Anscheinend war es über die Entführung bestens informiert. Die Lorenz-Entführung endete schließlich damit, dass der Staat zum Wohle der Geisel handelte und die politischen Gefangenen in den
Südjemen ausgeflogen wurden.
Akribisch bis zur Uhrzeit
Einen völlig anderen Ausgang nahm die Botschaftsbesetzung in Stockholm. März schildert auch hier detailreich den Ablauf des Überfalls durch die RAF. Geradezu akribisch listet er die
Reaktionen auf schwedischer und deutscher Seite auf - sogar mit Uhrzeit.
Womit die Botschaftsbesetzer nicht gerechnet hatten war, dass sich die deutsche Regierung dieses Mal nicht erpressen lassen wollte und erst gar nicht in direkte Verhandlungen mit ihnen trat.
Nach ungefähr 12 Stunden wurde die Sache mit einer noch nicht aufgeklärten Explosion beendet: Die Frage, ob nun der Sprengsatz von den Terroristen selbst gezündet wurde oder gar von der
schwedischen Polizei, kann auch vom Autor nicht beantwortet werden.
Beide Anschläge wurden mit derselben Zielsetzung begangen: nämlich Freipressung von politischen Gefangenen. Das staatliche Handeln hingegen hat sich verändert. Aus der Lorenz-Entführung wurde
die Konsequenz gezogen, dass künftig "Härte" gegenüber terroristischen Erpressungsversuchen gezeigt werden müsste.
"Die Machtprobe 1975" war ursprünglich die Magisterarbeit des Autors, die er noch einmal überarbeitete und anschließend veröffentlichte. Dieses Buch arbeitet sehr faktenreich eine Lücke in
der Geschichte des Linksterrorismus auf. Der knappe Erzählstil und die gut nachvollziehbaren Schlussfolgerung des Autors machen diese wissenschaftliche Arbeit lesenswert.
Edda Neumann
Michael März: Die Machtprobe 1975. Wie RAF und Bewegung 2.Juni den Staat erpressten, Forum Verlag Leipzig, 2007, 16,80 Euro, 216 Seiten, ISBN: 978-3931801229
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