Punks und FDJ-Aufmärsche, Trabbis und die Volvo-Limousinen der Staatsmacht, Warteschlangen vor Läden und Rockkonzerte in Kirchen, Kneipen und Hinterhöfe: Harald Hauswalds
Schwarz-Weiß-Fotografien zeigen Ost-Berlin abseits staatlicher Propaganda. Auch Blicke Richtung Westen hat Hauswald dokumentiert. Denn, was wäre die Stadt "ohne westlichen Anbau", schreibt Lutz
Rathenow, der die Texte zu den Bildern verfasste. Als Resonanzraum, der dem Ostteil der Stadt zu seinem eigenwilligen Klang verhalf, bezeichnet er den Westen.
Verbotenes Kultbuch
Im Zentrum von Hauswalds Aufnahmen stehen stets die Menschen. Ihren Alltag hält er fest: spielende Kinder, die offiziell nicht existierenden Punks, ausgelassene Partygäste. Dabei stellt die
er Menschen nie zur Schau oder macht sich lustig über sie. Er ist schließlich einer von ihnen. Aus Radebeul kommt er 1978 nach Berlin. Dort trifft er den Schriftsteller Lutz Rathenow, der ein Jahr
vor ihm aus Jena in die Hauptstadt gezogen war.
Gemeinsam veröffentlichen sie 1987 im Münchner Piper Verlag ihr Buch: "Ost-Berlin". "Es war unsere Art der Liebeserklärung an eine Stadt, die wir zugleich als Hälfte einer geteilten Stadt und
doch auch als ein neues Ganzes wahrnahmen", schreibt Rathenow im Vorwort zur 2005 erschienenen Neuauflage.
In der DDR wird das Buch verboten - und avanciert zum Kultbuch. Die Verfasser sind schon länger verpönt. Alleine auf Hauswald sind 30 Spitzel angesetzt. Staatssicherheitsminister Erich Mielke
interveniert - der Piper Verlag verzichtet auf eine Neuauflage des rasch vergriffenen Buches. Erst 1989 erscheint das Buch wieder. 2005 gibt der Jaron Verlag eine überarbeitete Neuauflage heraus.
Vergangenheit in der Gegenwart
Das "Ost-Berlin"-Buch findet seine Fortsetzung nach dem Mauerfall. "Gewendet" heißt der 2006 erschienen Band. "Es war einmal ein Land. Das verschwand von der Karte", schreibt Rathenow darin.
Harald Hauswald hat sich auf die Spuren der Vergangenheit in der Gegenwart begeben. Er bleibt bei der Schwarz-Weiß-Fotografie und stellt den aktuellen Fotos seine Aufnahmen aus DDR-Zeiten
gegenüber.
Die Hackesche Höfe etwa - heute ein Touristenmagnet - waren nicht immer so herausgeputzt. Gänzlich aus dem Stadtbild verschwunden sind die "Intershops". Hauswald hat sie festgehalten - und er
hat fotografiert was an ihre Stelle trat. Die Fotos finden ihre Entsprechung wieder einmal in Rathenows Texten. Knapp und treffend kommentiert der Schriftsteller die Bilder. Im vergangenen Jahr
wurde es mit dem Bürgerpreis der Deutschen Einheit ausgezeichnet.
Treffpunkt Alex
Der Alexanderplatz und die Menschen die sich über ihn bewegen faszinieren Hauswald seit 30 Jahren. Warum? "Weil wohl kein anderer Ort in dieser Stadt so viele magisch Durchgeknallte und
Abgedrehte der Gesellschaft anzieht, die hier ihre Bühne finden", erläutert der Fotograf in seinem 2007 erschienen Buch "Alexanderplatz". Der Verkehrsknotenpunkt "Alex" wird hier zum Treffpunkt
ostdeutscher Schriftsteller: Katja Lange-Müller, Alexander Osang, Freya Klier, Lutz Rathenow und viele andere schreiben über den berühmten Platz und begleiten damit Hauswalds eindrucksvolle
Aufnahmen.
Harald Hauswalds Arbeit wurde mit zahlreichen Preisen gewürdigt. Zwei Ausstellungen in Berlin widmen sich derzeit seinem Werk. "Neue Arbeiten" sind bis 1. Dezember in der Galerie imago zu
sehen. Die Landesvertretung des Freistaates Thüringen zeigt bis zum 1. Dezember "Ost-Berlin - die andere Seite einer Stadt".
Birgit Güll
Harald Hauswald/ Lutz Rathenow: "Ost-Berlin. Leben vor dem Mauerfall." Jaron Verlag. 3. Auflage. 2006. 128 Seiten. 12 Euro. ISBN-10: 3-89773-522-9
Harald Hauswald/ Lutz Rathenow: "Gewendet. Vor und nach dem Mauerfall: Fotos und Texte aus dem Osten" Jaron Verlag. 2006. 128 Seiten. 19,90 Euro. ISBN: 978-3-89773-532-3
Harald Hauswald: "Alexanderplatz. Fotografische und literarische Erinnerungen." Jaron Verlag. 2007. 128 Seiten. 14,90 Euro. ISBN 987-3-89773-568-2
Ausstellungen:
Harald Hauswald " Neue Arbeiten " (2000 - 2007)
Galerie imago fotokunst, Auguststraße 29 c, 10119 Berlin-Mitte; Di-Fr 12-19, Sa 14-18 Uhr, bis 01.12.2007
Harald Hauswald "Ost-Berlin - die andere Seite einer Stadt"
Vertretung des Freistaats Thüringen beim, Mohrenstraße 64, 10117 Berlin-Mitte; Mo-Fr. 12 -17 Uhr, bis 01.12.2007
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