Olaf Schwenke stellt anhand historischer Dokumente seines Buches sehr schön den Elan der frühen europäischen Einigung heraus, mit dem Ziel Europa auch kulturell auf ein solides gemeinsames
Fundament zu stellen. Er zeigt, dass die kulturelle Einigung dabei eine Komponente war, die den Idealismus für ein geeintes Europa trug, um die Grauen des letzten Krieges ein für alle Mal aus
Europa zu verbannen.
Kritiker würden bemerken, dass europäische Kulturpolitik nie über Absichtserklärungen hi-nauskam. Im Gegensatz dazu ist es ein Verdienst dieses Buches, klarzustellen, dass die Wir-kung von
Politikfeldern wie Kultur, Bildung, Forschung und Sozialpolitik im europäischen Kontext zwar schwerer nachzuweisen ist als beispielsweise die von Wirtschaftspolitik, die den Kern der europäischen
Verträge bildet. Doch sind diese Politikfelder nicht minder wichtig für den politischen Diskurs, der den europäischen Integrationsprozess ausmacht. Schwenke zeigt, dass die vertraglich wenig
konkrete Kulturpolitik mit zum Prozess des europäischen Zusammenwachsens beigetragen hat. Er benennt dabei richtigerweise Institutionen wie den Europarat als ideelle Keimzellen ohne wirkliche
politische Macht, aber mit erheblichen Ver-diensten für die Verfestigung europäischer Gemeinsamkeit.
Kultur: Säule für Europa
Auf institutioneller europäischer Ebene darf man Kulturpolitik durchaus als eine Komponente der "soft power" Politik sehen, in der eine der größten Stärken der EU liegt. Bewusst und sehr
effektiv setzt sie sich von klassischer Großmachtpolitik, Sie ist nicht militärisch und nicht imperialistisch ist und genießt trotzdem weltweit Einfluss und Ansehen.
Auf der Ebene der Bürger blieben die Vereinbarungen der europäischen Verträge oft abstrakt: internationale Verträge eben, die zwischen Staaten abgeschlossen wurden, nicht zwischen den
Bürgern. Die europäische Annäherung, vielleicht sogar das Entstehen eines Bewusstseins für ein gemeinsames Europa, hingegen hat sich vollzogen. Vielfach unscheinbar zeigt sich dies den-noch in der
gegenseitigen Wertschätzung europäischer Kulturen, wofür die deutsch-französische Freundschaft nur ein Beispiel ist. Und Kulturpolitik wurde hier als entscheiden-der Bestandteil - Stichwort
deutsch-französischer Freundschaftsvertrag - erkannt.
Insofern benennt dieses Buch Kulturpolitik als eine der Säulen auf die unser heutiges Europa gebaut ist. Eine Säule, die mehr Zeit und Geduld braucht, weil man Kultur nicht über Nacht
schaffen oder verändern kann, aber die dann auch ein solideres Fundament für Europa bildet. Solider sogar als die europäischen Verträge selbst. Aus dem gegenseitigen Vertrauen und der Wertschätzung
europäischer Kulturen wurde innere Stärke. Es entwickelt sich eine europäi-sche Einheit in Vielfalt und Europa wird ein stabiler und verlässlicher Partner in der Welt.
Thomas Hoerber
Olaf Schwenke, Das Europa der Kulturen - Kulturpolitik in Europa, Dokumente, A-nalysen und Perspektiven von den Anfängen bis zur Gegenwart, Klartext Verlag, Es-sen, 2006, ISBN 3-88474-957-9, 443
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