Eine Ausstellungseröffnung, eine Filmpremiere, eine Gelegenheit zum Austausch: all das war der SPD-Kulturabend zur Berlinale im Willy-Brandt-Haus am Montagabend.
"Roter Teppich für alle“ steht auf einem riesigen Transparent über dem Haupteingang des Berliner Willy-Brandt-Hauses. Darunter liegt der rote Teppich, über den an diesem Montagabend Hunderte Kulturinteressierte und Kulturschaffende laufen. Die SPD hat sie eingeladen, denn, wie SPD-Chef Sigmar Gabriel sagt: Von Künstlern und Kulturschaffenden könnten Politiker den Blickwechsel lernen.
Kultur und Politik liegen nah beieinander
Gabriel ist es auch, der vor gut 300 Gäste die Jim-Rakete-Ausstellung „Stand der Dinge“ eröffnet. Der Fotograf hat für diese Porträtserie 100 Filmschaffende fotografiert, von Mario Adorf bis zu Martina Gedeck, von Michael Ballhaus bis zu Volker Schlöndorff. Sie alle sind mit dem einen Gegenstand zu sehen, von dem sie selbst denken, dass er für ihre Karriere entscheidend war. Da ist Moritz Bleibtreu mit der Waffe aus „Knockin' On Heaven's Door", Anna Maria Mühe mit der Fellmütze aus „Novemberkind“. Und da ist stets Jim Raketes „Blick für das Einmalige“, wie Sigmar Gabriel sagt.
Er betont, dass „Kultur und Politik für Sozialdemokraten nah beieinander liegen“. Die SPD-Fraktion habe einen Antrag eingebracht, der die soziale Lage von Beschäftigen in der Kulturbranche verbessern solle, so Gabriel. Für sie soll es künftig leichter werden Arbeitslosengeld I zu beziehen und nicht direkt auf Hartz-IV-Niveau zu fallen. Außerdem mache die SPD sich für den Schutz von Urheberrechten im Internetzeitalter stark. „Klauen bleibt klauen“, sagt Gabriel. Schließlich müssten Kreative von ihrer Arbeit leben können.
Jim Rakete: Ein politischer Fotograf
Die Kreativen sollten an diesem Abend im Mittelpunkt stehen. Ganz besonders Jim Rakete. Sein Freund, der SPD Fraktions-Vorsitzende Frank-Walter Steinmeier, weiß wie ungern Rakete im Rampenlicht steht: „Verehrung macht ihn skeptisch, Schleimerei ist ihm zuwider.“ So ganz ohne Weihrauch komme er aber nicht aus, fügt Steinmeier hinzu. „Jim Rakete ist kein Fotograf von Politikern, aber er ist ein politischer Fotograf“, so Steinmeier. Rakete habe das Porträt zur Kunstform entwickelt, sagt er.
Davon kann man sich im Willy-Brandt-Haus noch bis zum 25. März überzeugen: Dicht an dicht hängen im Willy-Brandt-Haus die Schauspieler-Porträts, die Rakete für „Stand der Dinge“ fotografierte. Farbfotos, digital fotografiert – ganz ungewohnt, kennt man von Jim Rakete doch die eindrucksvollen schwarz-weiß Porträts ebenso wie seine Vorliebe für die analoge Fotografie. Doch eine ganz eigene Ästhetik zeichnet diese Bilder aus. Jim Rakete suche das Authentische, „er liebt unsere Fehler“ sagt Steinmeier. Retusche lehne er ab: „Es gilt das fotografierte Bild“, sagt der Fraktionsvorsitzende. Jim Rakete im Publikum ist sichtlich bewegt von der Rede des Freundes.
Beim Blick auf die Bilder wird deutlich, was Steinmeier meint, wenn er sagt „Jim Rakete schießt keine Fotos, er malt mit der Kamera“. Er spricht von den sensiblen, zugewandten Rakete-Porträts. Im Willy-Brandt-Haus sind sie zu sehen.
Terrorismus im deutschen Kino: „Die Vierte Macht“
Während im dritten Stock die Vernissage zu Ende ging, suchten sich gut 1000 Gäste im Atrium des Willy-Brandt-Hauses Sitzplätze. Sie wollten einen guten Blick auf die Leinwand, waren sie doch zur Vorpremiere von Dennis Gansels („Die Welle“) neuem Film „Die Vierte Macht“ gekommen. Kulturschaffende, Politiker und Kulturinteressierte sahen den Film über Terrorismus, der über Verhältnisse in Russland erzählt, dabei aber weit darüber hinausweist. „Was, wenn in Berlin die erste Bombe hochgeht?“, fragt eine der Figuren im Film. Werden Toleranz und Freiheit dann noch hochgehalten, oder rechtfertigt Sicherheit die Beschneidung von Freiheit? Eine Frage, mit der Gansel sein Publikum konfrontiert.
Im Berliner Willy-Brandt-Haus formuliert der Regisseur es so: „Terrorismus ist etwas, das unsere Gesellschaft extrem geprägt hat. Im Film findet das aber keinen Wiederhall.“ Das hat auch mit der Filmförderung zu tun. „Die Finanzierung für einen politischen Stoff zu kriegen ist nicht einfach in Deutschland“, sagt Nina Maag, eine der Produzentinnen von „Die Vierte Macht“. Produzent Peter Thomas Friedl erklärt, dass die Kultur des politischen Kinos in Deutschland neu belebt werden müsse.
Politische Kultur, prominente Gäste
Mit „Die Vierte Macht“ ist ein Anfang gemacht. Im Berliner Willy-Brandt-Haus ging der kulturelle Abend noch weiter und bot Gelegenheit zum Austausch und zur Debatte in prominenter Runde. Neben Filmschaffenden wie Dennis Gansel, Max Riemelt, Julia Jäger und Pepe Danquart ließen sich Generalsekretärin Andrea Nahles, die stellvertretende Parteivorsitzenden Hannelore Kraft, Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit und SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks den Kulturabend nicht entgehen.
Goetz Schleser
ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.