Jaques Ricou gilt als harter und unbestechlicher Richter und er hat Glück mit seiner Gerichtspräsidentin. Marie Gastaud schützt ihn nicht nur vor dem Druck der Politik. Sie bringt zudem seine
Karriere voran, indem sie ihn mitnimmt ins Palais de justice. Auch seine Beförderung verdankt er ihr.
Informationen über brisante Entwicklungen, die innerhalb der Gesellschaft vor sich gehen, erhält er wiederum von der Journalistin Margaux. Diese ist eine gute Rechercheurin. Der Richter
kann sich der auf ihre Nachrichten verlassen.
Brisanter Stoff
Vor den Nachstellungen der kriminellen Unterwelt hingegen muss er sich selbst schützen. Mit seinem jüngsten Fall gerät er in eine Sphäre, in der man nicht selbst zum Killer wird, sondern
Mörder anheuert.
Der Stoff hat es in sich. Es geht um die Verquickung von Politik und Verbrechen, um Korruption und Wirtschaftskriminalität in großem Stil. Konkret: Von der Leuna-Affäre ist die Rede, von
schwarzen Kassen, Wahlhilfen durch Gelder, die aus Korruptionsskandalen stammen könnten, einer Kanzlerwahl kurz nach der Vereinigung Deutschlands. Politische Vorwürfe dieser Art könnten auch
Ablenkungsmanöver sein, durch die wahren Hintermänner dem Blickfeld entkommen. Doch ob das so ist, das wird erst am Ende des Buches geklärt.
Leuna-Werke
Wer es nicht mehr weiß oder noch nicht wusste: Die Leuna-Werke waren ein riesiger DDR-Chemie-Gigant, der jetzt noch als Raffinerie existiert. Gekauft wurden sie nach der deutschen
Vereinigung von einem französischen Konzern. Bald darauf mehrten sich Gerüchte um Bestechungen, die mit diesem verbunden gewesen wären.
Wickert lässt seine Helden im Umfeld des Geschehens die Politik der Treuhand kritisieren, die mit riesigem Manko verkaufte. Gesellschaftskritik kommt sehr fundiert daher.
Fiktiv und authentisch
Im Buch heißt der französische Konzern, der mit Schmiergeldern gearbeitet haben soll, France-Oil. Es ist ein fiktiver Roman, auch wenn eine Menge Fakten eingebracht werden. Der Verfasser
hat die Namen geändert, wenngleich, wo alles eindeutig ist, auch einmal ein authentischer auftaucht.
Ulrich Wickert hat gründlich recherchiert und viel Interessantes zu Tage gefördert. Natürlich braucht der Kriminalroman die spannende Zuspitzung und Verflechtung des Geschehens, in die sich
auch Liebesaffären des Richters Ricou einfügen. Doch die Haltung des Autors zu realen Vorgängen innerhalb der Gesellschaft ist eindeutig. Dazu gehört übrigens auch Kritik an manchem großen
Bankengeschäft.
Bekannter Name
Ulrich Wickert wurde nicht erst durch seine vier Kriminalromane berühmt. Und es ist dem Buch auch anzumerken, dass es von einem versierten Journalisten geschrieben wurde. Schließlich war er
lange Jahre Moderator, der Anchorman, der Tagesthemen.
1942 in Tokio geboren hat er lange Zeit als ARD-Korrespondent in New York, Washington und Paris gearbeitet. Er kennt sich in dem Metier aus, das er beschreibt, wie er sich eben auch in
Frankreich und Deutschland, den Ländern, um die es hier geht auskennt.
Übrigens passt der Brechtsche Spruch, was denn der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank sei, gut zum Ganzen. Manchmal geschieht auch großen Politikern großes Unrecht. Aber ob
das hier in diesem Kriminalroman so oder ganz anders oder überhaupt ganz anders ist …?
Ulrich Wickert "Der nützliche Freund", Kriminalroman, Piper Verlag, München Zürich 2008, 314 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 976-3-492-05020-3
ist freie Autorin, Vorstandsmitglied des Verbands deutscher Schriftsteller im ver.di-Landesverband Berlin sowie stellvertretende Vorsitzende des Kulturwerks Berliner Schriftsteller e. V.