Kultur

Kill Billy: Auf dem Rachefeldzug gegen Ikea

Ein gescheiterter Möbelhändler entführt den Ikea-Boss: Die schwarzhumorige und warmherzige Komödie „Kill Billy“ feiert das Leben, gerade in düsteren Zeiten.
von ohne Autor · 24. Juni 2016
Szene aus Kill Billy
Szene aus Kill Billy

Für viele Menschen gehört Ikea wie selbstverständlich zum Alltag. Dem norwegischen Möbelhändler Harold sind die klobigen Märkte ein Graus. Zumal, seitdem die schwedische Möbelhauskette die größte Filiale Skandinaviens in direkter Nachbarschaft seines Geschäfts eröffnet hat. Fortan verfolgt ihn das blaugelbe Logo bei allem, was er tut.

Schuld ist der „Ikea-Schrott“

Mehr als 40 Jahre lang hat Harold mit seiner Frau in einem kleinen Städtchen hochwertige Polstermöbel verkauft – Paar und Laden sind eine echte Institution. Jedenfalls bis zu dem Punkt, als Harold Firma und Haus verliert. Und seine Frau. Schuld daran ist der „Schrott“, wie Harold die Billigmöbel aus Schweden nennt. Im Gegensatz zu Harolds Verkaufsstücken sind sie nicht für die Ewigkeit gemacht, aber äußerst gefragt. In dem frischgebackenen Witwer, der nun in einem klapprigen Saab wohnt, mischen sich Ratlosigkeit, Hass und Rachedurst. So beschließt er, den Ikea-Boss zu kidnappen.

Lebst du noch oder war's das schon? Angelehnt an den Roman „Ein ehrliches Angebot“ ist Regisseur Gunnar Vikene ein ebenso leiser wie schwarzhumoriger und warmherziger Film über einen Menschen gelungen, der gegen Ende seines Lebens vollkommen aus der Bahn geworfen wird und von ganz unten einen Neustart wagt . Der aber auch mühsam lernt, worauf es wirklich ankommt. Zunächst sucht Harold sein Heil darin, jenen Ingvar Kamprad (täuschend ähnlich: Björn Granath) in seine Gewalt zu bringen. Bei seinem Sohn besorgt er sich eine Waffe und fährt nach Schweden.

Entführung: Komplize Zufall spielt mit

Doch Kamprad, der zu den reichsten Menschen der Welt gezählt wird, ist gar nicht so einfach zu finden. Die halbwüchsige, von zu Hause ausgebüxte Ebba, die zur unverhofften Begleiterin wird, führt Harold auf eine falsche Fährte. Rein zufällig geht der Fisch dann doch ins Netz. Doch die Entführung verläuft komplett anders als geplant. Auch, weil das Opfer mit der neuen Situation ganz gut leben kann.

Bis zu diesem Punkt folgt man Harold gerne auf seiner Reise in ein neues Leben. Hauptdarsteller Björn Sundquist haucht seiner wortkargen Figur nicht zuletzt mit einer eindrucksvollen Mimik Leben ein. Gesagt wird nur das Nötigste, alles andere steht in dem Gesicht geschrieben, das man nicht so schnell vergisst. Zug um Zug werden seine Persönlichkeit und all die Dinge entblättert, die an ihm nagen. Nicht nur das Ausmaß seiner Trauer und Verzweiflung, sondern auch eine gescheiterte Vater-Sohn-Beziehung. Und dann auch noch die irrwitzige Entführung seines Erzfeindes.

Ganz anders und doch irgendwie gleich

Wie die beiden alten Männer nicht nur verbal aufeinander losgehen, birgt viel Situationskomik. Wer denkt, hier prallen zwei konträre Lebens- und Geschäftsmodelle aufeinander, liegt zwar richtig. Nichtsdestotrotz ist so manche Gemeinsamkeit zu entdecken. Vikene griff dafür auf Zitate aus Interviews mit dem echten Ikea-Chefzurück, der das öffentliche Image eines wohlhabenden, aber genügsamen Selfmademan pflegt. Harolds Lage wird durch diese ganz besondere Form des Stockholm-Syndroms, das in einem abgelegenen Wohnwagen um sich greift allerdings noch komplizierter.

Leider wird in der zweiten Hälfte des Films weder das komödiantische noch das dramatische Potenzial dieser an sich originellen Geschichte ausgeschöpft. So wie Harold fällt auch der Erzählfaden einer gewissen Orientierungslosigkeit anheim. Und das zu einem Zeitpunkt, als er erreicht hat, was ihm zuvor höchste Genugtuung versprach. Anstatt sich auf die Konfrontation zwischen dem mürrischen Racheengel und dem schrulligen Möbel-Titanen zu fokussieren, erweitert Vikene den Handlungsrahmen: Harold ebnet Ebba (Fanny Ketter) den Weg zu einem verträglichen Leben mit ihrer chaotischen Mutter. Und stellt sich seinen eigenen familiären Problemen.

Unter dem Strich ist „Kill Billy“ aber dennoch eine sympathische Tragikomödie, die vor einem realistisch erzählten Hintergrund die richtigen Fragen stellt.

Info:

„Kill Billy“ (Norwegen 2015), ein Film von Gunnar Vikene, nach dem Roman „Ein ehrliches Angebot“ von Frode Grytten, mit Björn Sundquist, Fanny Ketter, Björn Granath u.a., 88 Minuten

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