Kultur

Kann frühe Betreuung gelingen?

von Dagmar Günther · 27. März 2008

Bis zum Jahr 2013 möchte die Bundesregierung es geschafft haben, etwa für jedes dritte Kind unter drei Jahren einen Krippenplatz vorzuhalten. Das hat die Diskussion, ob die Förderung der Kleinen damit optimiert wird oder sie mangels mütterlicher Betreuung verwahrlosen werden, aufs Neue angeheizt. Hintergrund sind unterschiedliche Lebenserfahrungen. Dem tagsüber in der Krippe aufgewachsenen Kind, das sich zu einem erfolgreichen, einfühlsamen Erwachsenen entwickelt hat, steht die Hochachtung vor der Hausfrau und Mutter entgegen, die durch Verzicht auf Selbstverwirklichung eine gesunde Entwicklung des Kindes angeblich erst möglich gemacht hat.



Optimale Ergänzung

Polemisierung und Politisierung der Debatte haben Eltern zusätzlich verunsichert. Dabei schließt Krippen-Betreuung elterliche Fürsorge keineswegs aus. Es geht vielmehr um eine optimale Ergänzung. Einer aktuellen Studie der Bertelsmannstiftung zufolge erhöht der Krippenbesuch sogar die Wahrscheinlichkeit, später ein Gymnasium zu besuchen von 36 auf 50 Prozent. Von Kindern aus sozial benachteiligten Familien besuchen dann sogar zwei Drittel mehr das Gymnasium.

"Wie frühe Betreuung gelingen kann?" beschreiben die Autoren und Herausgeber, alles erfahrene Praktiker und Wissenschaftler, so, 978-3-407-85861-0 dass es jeder versteht. Auch ein deutsch-deutscher-Vergleich fehlt dabei nicht. Sie stellen sich den Fragen: Wie wichtig ist die Betreuung der Kleinsten durch die Eltern? Welches sind die Chancen und Risken von Krippenerziehung? Wie alt sollte ein Kind sein, um in die Krippe zu kommen? Wie groß sollten Gruppen in der Krippe sein? Was ist eine gute Krippe und welches sind zukunftsweisende Konzepte? Und das nicht nur theoretisch. Ganz praktische Tipps helfen bei der Entscheidung, welche Krippe für welches Kind gut ist, wie die Eingewöhnungszeit am besten zu gestalten ist, ob sich die Mutter-Kind-Bindung verändert.

Die Autoren bringen es auf den Punkt und setzen noch eins drauf: Frühe Betreuung in Krippen kann nicht nur gelingen, sondern trägt zum Wohl des Kindes bei. In anderen europäischen Ländern ist das längst erkannt worden. Und bei näherem Hinsehen wird deutlich, dass es auch in Deutschland keine sinnvolle Alternative zum Ausbau der Krippenbetreuung gibt. Nicht nur weil Kinder vom Zusammensein mit Gleichaltrigen profitieren, sondern weil für viele fehlende Betreuungsmöglichkeiten nach dem Ende der Elternzeit bedeutet, ganz auf Kinder zu verzichten.

Bedarfsgerechter Ausbau

So versteht sich das Buch "als Plädoyer für einen bedarfsgerechten Ausbau der Krippenbetreuung, der sich an fachlich anerkannten und politisch abgesicherten, überprüfbaren und regelmäßig zu überprüfenden Qualitätsstandards orientiert." Es genüge nicht, Krippen irgendwie aus dem Boden zu stampfen! "Damit Kinder tatsächlich von Krippen profitieren können, bedarf es noch großer Anstrengungen auf verschiedenen Ebenen, von der Schaffung struktureller Voraussetzungen über Aus- und Weiterbildung des Personals bis hin zur Information und Beteiligung der Eltern." so die Herausgeber im Vorwort. Ihr Buch ist ein wichtiger Wegweiser im Krippen-Dschungel.

Dagmar Günther

Jörg Maiwald/Bernhard Schoen (Hg.): Krippen. Wie frühe Betreuung gelingt. Fundierter Rat zu einem umstrittenen Thema, Beltz Verlag Weinheim und Basel 2008, 240 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 978-3-407-85861-0

Autor*in
Dagmar Günther

war bis Juni 2022 Chefin vom Dienst des vorwärts.

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