"Wir wussten nicht so wirklich viel und dachten, wenn es ein Grab gibt, pflegt das jemand. Vielleicht tut sich hier eine Wissensgrube auf", erklärte der Autor. Gemeinsam mit Mitarbeitern des
Viersener Kinder- und Jugendtreffs an der Krefelder Straße, dem Hubert Vootz den Namen gab, begab er sich auf die Spuren des Namensgebers. Er stieß auf die Enkelin, Gertrud Hensches. Mit Hilfe
ihrer Geschichten holte Klouten das Leben des Hubert Vootz ans Tageslicht.
Die Schulzeit in der NS-Zeit beschreibt Hensches als grausig. Auch weil bekannt war, das ihr Großvater Nazi-Gegner war. Einmal, so erinnert sie sich, trug sie einen roten Rock. Stundenlang
musste sie vor die Klasse stehen, da ihr Rock angeblich aus einer Fahne gemacht sei. Ihr Großvater - er war Zwangsarbeiter im Bau - sei damals kaum zu Hause gewesen, höchstens zum Kleiderwechseln.
"Frage nicht zuviel", habe er immer zu ihr gesagt, "es ist besser, wenn ihr nichts wisst". Darin zeigte sich seine große Angst um die Familie.
Ethos bis zum Tod
Ab März 1945 erlebt sie das öffentliche Wirken ihres Großvaters am lokalen Wiederaufbau von SPD, Gewerkschaften sowie der AWO. Sie begleitete ihn zu allen Veranstaltungen, einschließlich zum
Altkleider sammeln. "Also wenn er seine Schuhe hätte ausziehen und weggeben können, hätte er das auch noch getan. In der Beziehung war der Mann einmalig." Hubert Vootz besaß Ethos bis zu seinem
plötzlichen Tod am 24. August 1956.
Er starb an den Folgen von Folter und Haft, Hunger und Zwangarbeit. Kurz vor Lebensende bat er die Krankenschwester: "Sagen sie meiner Enkelin nicht sofort was, wenn ich jetzt die Augen
zumache, sondern erst heute Mittag, die muss sich erst ausruhen." Zwei Wochen hatte die Enkelin ihren Großvater im Krankenhaus gepflegt. Auf seine Bitte hin war sie an jenem Morgen ohne ihn zu
waschen nach Hause gegangen. "Mir geht´s heute Morgen gut, das bisschen Waschen kann die Schwester machen." Zwei Stunden später erlag er einem Gehirnschlag.
Robin Hood am linken Niederrhein
Der damalige Falken-Leiter, jetzt Geschäftsführer, Dieter Liedgens erzählt, warum sie 1986 das Jugendheim der "Sozialistischen Jugend Deutschlands - Die Falken" Viersen " Hubert-Vootz-Haus"
nannten. Vootz habe ihnen immer geholfen, ohne es "an die große Glocke" zu hängen. "Der war so schlicht und einfach - ohne große Dingens." Oberstadtdirektor Schaub bezeichnete Hubert Vootz
anlässlich seines 70. Geburtstags als einen "Wanderer zwischen den Welten". In der "dunklen Zeit der Naziherrschaft" habe Vootz "aktiv gegen Unfreiheit und Unrecht gekämpft". Für sein Lebenswerk
bekam er an diesem Tag das Bundesverdienstkreuz.
Im Sommer 1934 gehörte Hubert Vootz zu den Aktivisten in der sozialdemokratischen Widerstandsgruppe um die Brotfabrik Germania in Duisburg-Hamborn. Die Widerständler bildeten Lesezirkel, in
denenn sie SPD-Material, sozialdemokratische Zeitungen und Tarnschriften austauschten. Ziel war es, sich der gemeinsamen Werte bewusst zu werden und sich über den internationalen Kampf gegen den
Faschismus zu informieren. So blieben sie gegen die "NS-Ideologie resistent", schreibt der Autor. 1935 wurde Vootz wegen seiner Gesinnung von den Nazis verhaftet.
Gewalt und Befreiung
Was er in den "Vernehmungen" im Gestapo-Gefängnis Duisburg erlitt, darüber sprach er nie. Ein Mitgefangener, Jack Schiefer aus Erkelenz, schreibt in "Tagebuch eines Wehrunwürdigen": Man
"folterte mich in der bestialischsten und sadistischsten Art....Und eine solche "Kultur" will Europa beherrschen!" Jack Schiefer wurde später ein Gründervater der Europäischen Union. "Die gesamte
Tätigkeit der Gestapo, die einen wesentlichen Teil nazistischer Gewalt- und Willkürherrschaft darstellte, war ... ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit", urteilte das Landgericht Düsseldorf am
27. Mai 1948.
Vootz befand sich vom 16. Juli 1935 bis 5. August 1936 in Untersuchungshaft im Landgerichtsgefängnis Duisburg, wo er wegen "Hochverrats" zu 17 Monaten Zuchthaus verurteilt wurde. Nach der
Haftentlassung wurde er 1938 bis März 1945 zur Zwangsarbeit der "Organisation Todt" im Baugewerbe verpflichtet. Dort herrschten katastrophale Bedingungen: mangelnde Hygiene, ungenügende
Verpflegung, sehr geringer Lohn, kein Urlaub, unfallträchtige Arbeitsbedingungen, bis zu 36-Stunden-Schichten, Siebentagewoche. So kam Vootz an die "Grenzen seiner Belastbarkeit". Er baute physisch
und psychisch ab, schildert Klouten diese Zeit. Am 1. März 1945 befreiten ihn US-amerikanische Truppen. Sie schickten den stark gezeichneten Vootz in ein in Kassel errichtetes Sanatorium.
Vom schwachen Charakter des Bösen
Das Buch von Lothar Klouten führt dem Leser mit Texten, Dokumenten und Fotos vor Augen: Das Böse ist niemals solidarisch. Denn dann müsste es eine Seele besitzen. Somit bleibt es ein von
Angst durchtränktes Etwas. Der Wunsch des Autors, einen "gesellschaftlichen Prozess der Erinnerung, ausgerichtet auf eine gemeinsame menschenwürdige Zukunft" zu bewirken, ging in Erfüllung. Beim
Wettbewerb "Aktiv für Demokratie und Toleranz 2006" erhielt das Buchprojekt eine Auszeichnung vom "Bündnis für Demokratie und Toleranz. Gegen Extremismus und Gewalt".
Selda Göktas
Lothar Klouten: Hubert Vootz - Ein Leben für die Freiheit, Hubert-Vootz-Haus e.V., 2008, 159 Seiten, 9,80 Euro, ISBN: 978-3-00-023682-2
Das Buch kann nur bestellt werden beim Hubert Vootz-Haus:
www.hubertvootzhaus.de
0
Kommentare
Noch keine Kommentare