Aharon Appelfeld erzählt in „Auf der Lichtung“ von Überlebenskampf jüdischer Partisanen. Den deutschen Vernichtungslagern entkommen, kämpfen sie in den ukrainischen Karpaten gegen Wehrmacht und SS einerseits und kollaborierende Dorfbewohner andererseits.
Gegen Kriegsende – die Rote Armee kommt näher – gelingt es den Partisanen sogar, Transporte von Juden, die in die Gasöfen der Konzentrationslager führen würden, zum Entgleisen zu bringen. Sie päppeln die Entkräfteten hoch. Als es niemand mehr für möglich hält, werden sie von den Faschisten in einer konzentrierten Aktion angegriffen und verlieren ihren Anführer.
Gemeinschaft der Verfolgten
Appelfeld erzählt seinen Roman aus der Perspektive des 17-jährigen Edmund. Der ist auf dringliche Bitten seiner Eltern vom Bahnhof, auf dem der Weg in ein Lager begonnen hätte, geflohen. Hinterher macht er sich Vorwürfe, Vater und Mutter verlassen zu haben. Er trifft auf eine Gemeinschaft aus Zionisten und Kommunisten, die der Kampf gegen den Faschismus zusammengebracht hat und die in unterschiedlicher Intensität Heinrich Heine, Rainer Maria Rilke und auch Karl May lesen und Martin Buber zitieren.
Sie leben in einer großen Familie: der charismatische Anführer Kamil, der die Gruppe zu einer Einheit formt, die Kinder Milio und Michael, „Karl der Große“, ein Kommunist, oder die Alten wie Zirl, die noch die religiösen Bräuche pflegt und allen wie eine Schamanin vorkommt.
Den eigenen Namen wieder tragen
„In den Augen der Feinde waren wir Untermenschen; sie haben Nummern aus uns gemacht. Jetzt wird jeder wieder seinen eigenen Namen und den Namen seiner Familie tragen. Wir sind Kinder von Eltern und Eltern von Kindern. Der Feind wollte nicht nur uns töten, sondern auch das Ebenbild Gottes in uns“, sagt der visionäre Kommandant Kamil zu den aus einem Transport befreiten Frauen und Männern.
Es wird viel diskutiert, angerissen, angedeutet in den Gesprächen der Partisanen. Einige haben den Glauben an ihren Gott verloren, andere finden wieder zu ihm. Doch alle machen sich „keine Illusionen, dass unser Leben irgendwann wieder so sein würde, wie es früher war“. Das wird schon deutlich, als die Gruppe, nachdem die sowjetische Armee in den ukrainischen Ort eingerückt ist, erfahren muss, dass es immer noch oder schon wieder junge Menschen gibt, die den jüdischen Friedhof verwüsten und „Juden nach Palästina!“ rufen.
Zeitzeuge Appelfeld
Der Autor wurde 1932 als Erwin Appelfeld in Czernowitz geboren, dem vielsprachigen Ort, aus dem auch Paul Celan und Rose Ausländer kommen. Nach Verfolgung und Krieg, eine Zeit, die er im Ghetto und in den ukrainischen Wäldern, schließlich als Küchenjunge der Roten Armee überlebte, kommt er 1946 nach Palästina. In Israel wird Appelfeld an der Ben-Gurion-Universität in Beer Sheva Professor für Literatur. Seine Werke sind in viele Sprachen übersetzt worden, zuletzt 2012 auf Deutsch „Der Mann, der nicht aufhörte zu schlafen“.
Aharon Appelfeld: „Auf der Lichtung“, Roman, Verlag Rowohlt Berlin, Berlin 2014, 320 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 978-3-87134-771-9
Matthias Dohmen hat Germanistik, Geschichte, Politologie und Philosophie studiert, arbeitet als freier Journalist und ist 2015 mit einer Arbeit über die Rolle der Historiker West und Ost im "deutschen Geschichtskrieg" promoviert worden.