Kultur

„Jedes Wort ein Treffer“

von Birgit Güll · 9. Februar 2011
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Ein pünktlich zu Bernhards Geburtstag im Suhrkamp Verlag erschienenes Buch präsentiert den Schriftsteller in seinen öffentlichen Äußerungen. "Der Wahrheit auf der Spur" sind gesammelte Interviews, Beiträge für Zeitungen und Reden. Chronologisch geordnet zeigen sie Bernhard wie er sich der Öffentlichkeit präsentierte: widersprüchlich, provokativ und geistreich. "Es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt." Das ist einer dieser Bernhard-Sätze. Einer dieser Sätze, die so zielgerichtet treffen und zum Nachdenken anregen.

"Ich fülle die Leere mit Sätzen aus"

Thomas Bernhard ist einer der bedeutendsten Schriftsteller der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur. Seine sprachgewaltigen Texte rütteln auf und liefern wichtige Denkanstöße. In seinen öffentlichen Äußerungen betont er immer wieder, wie zentral das Schreiben für ihn ist. "Man selbst füllt die Leere aus, ich fülle sie mit Sätzen aus", sagt Thomas Bernhard 1978. "Und so kann ich existieren - vielleicht. Aber die Leere taucht immer wieder auf, naturgemäß."

Der Sammelband zeigt wie Bernhard sein Bild prägt, wie er erklärt und relativiert, wie er provoziert. Immer wieder blitzt darin jener Thomas Bernhard auf, der sich im 2009 erschienen Briefwechsel mit seinem Verleger Siegfried Unseld in seiner ganzen Bandbreite offenbart. Er kommentiert, kritisiert, er scherzt, er polemisiert und prangert an. Bernhards größte Zielscheibe ist seine österreichische Heimat und die Menschen die darin leben. Eine Hassliebe verbinde ihn mit dem Land, erklärte Bernhard häufig.

"Alle Menschen sind Monster"

Diesem Land hält er den Spiegel vor. In seinem Werk thematisiert er das Totschweigen der NS-Vergangenheit. Bernhard legt Massengräber frei, zeigt den Österreichern wie sie auf dem Wiener Heldenplatz Hitler zujubelten. Lenkt ihre Blicke auf die Löcher in den Anzügen, welche die eilige abgenommenen Parteiabzeichen hinterließen. Bernhards Sprache ist kraftvoll. Seine langen Sätze bohren sich in seine Themen. Wiederholung und Übertreibung sind seine Stilmittel, dienen ihm zur Beschreibung von gesellschaftlichen Zuständen nach dem nationalsozialistischen Massenmord. Seine Helden sind Verstörte.

Ob denn wirklich alles so schrecklich sei wurde Bernhard häufig gefragt. "Das Geheimnis besteht darin, die Wirklichkeit unerbittlich zu raffen", sagt er in einem Interview mit Jean-Louis de Rambures für "Le Monde". "Alle Menschen sind Monster, sobald sie ihren Panzer lüften." Bernhard gibt Denkanstöße, die seine Landsleute nicht hören wollen. Und er gibt sie lautstark. Er gilt als Nestbeschmutzer und Provokateur. "Ich und meine Arbeit haben so viele Feinde, wie Österreich Einwohner hat", schreibt er. 1985 erklärt Bernhard: "Das Ziel eines Buches ist es eben, daß sich die Leute darin erkennen können. Ich schreibe, um zu provozieren."

"Die fürchterliche Wirklichkeit als Komödie"

Kaum ein Interviewer kann widerstehen, Bernhard nach Selbstmordgedanken zu fragen. Besonders nach der Veröffentlichung seiner autobiographischen Schriften, die seine Kindheit und seine Lungenkrankheit thematisieren. Doch Bernhard lässt sich nicht festnageln. Als André Müller von der "Zeit" fragt, bekommt aber keine zufrieden stellende Antwort: "Ich merke schon, über den Selbstmord können wir nicht mehr reden", sagt er. "Ist ja auch gar nicht nötig. Wenn Sie sich umgebracht haben, schreiben Sie mir", reagiert Bernhard.

"Die fürchterliche Wirklichkeit letzten Endes niemals als Tragödie, sondern als Komödie. Das war mir die einzige Möglichkeit - und ist es heute auch noch", formuliert der Schriftsteller 1978. Bernhard reklamiert keine absoluten Wahrheiten. Nicht in seinem Werk und nicht in seinen Äußerungen. So sagt er in einem Interview: "Zumindest empfinde ich das heute so. Denn es kann gut sein, daß ich morgen ganz anders denke."

"Der kann sich nicht mehr wehren"

Zahlreiche Mythen ranken sich darum wie schwierig es war, ein Bernhard-Interview zu bekommen. Warum er sie nicht mag? "Versuchen Sie sich vorzustellen, Sie wären mit Händen und Füßen an einen Baum gefesselt, und man schießt mit dem Maschinengewehr auf Sie", vergleicht er 1983. Doch dann sind da die "Monologe auf Mallorca". Die großen Fernseh-Interviews, die er Krista Fleischmann für den Österreichischen Rundfunk gab. Bernhard ist bestens gelaunt. Seine messerscharfe Kritik ist im Plauderton besonders treffsicher. Der Schriftsteller kennt seine Wirkung, weiß um seine Bedeutung und prägt sie mit.

Am 12. Februar 1989 stirbt Thomas Bernhard. Heute wird der Schriftsteller, dessen Buch "Holzfällen" in Österreich einst beschlagnahmt wurde, dessen Stück "Heldenplatz" im Wiener Burgtheater unter Polizeischutz uraufgeführt wurde, auch in seiner österreichischen Heimat verehrt. Das Werk sei ungefährlich wenn der Dichter erst im Grab liege, hat Bernhard 1975 erklärt: "der ist nicht mehr da, der kann sich nicht mehr wehren."

Thomas Bernhard: "Der Wahrheit auf der Spur. Reden, Leserbriefe, Interviews, Feuilletons", Herausgegeben von Wolfram Bayer, Raimund Fellinger und Martin Huber. Suhrkamp Verlag, Berlin, 2011, 346 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-518-42214-4

Thomas Bernhard/Siegfried Unseld: "Der Briefwechsel", Herausgegeben von Raimund Fellinger, Martin Huber und Julia Ketterer, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 2009, 869 Seiten, 39,80 Euro, ISBN 978-3-518-41970-0

Thomas Bernhard/ Krista Fleischmann: "Monologe auf Mallorca & Die Ursache bin ich selbst. Die großen Interviews mit Thomas Bernhard", DVD, filmedition suhrkamp, Frankfurt, 2008, 19,95 Euro

Thomas Bernhard: "Der Wahrheit auf der Spur" Suhrkamp Verlag, Berlin, 2011 19,90 Euro, ISBN 978-3-518-42214-4

Autor*in
Birgit Güll

ist Redakteurin, die für den „vorwärts“ über Kultur berichtet.

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