Kultur

Ironie und Nostalgie – Zwei kalte Krieger im Gespräch

von Ines Langelüddecke · 31. März 2009
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Der Funker Nadolny und der Reservist Sparschuh erinnern sich an ihre Zeit beim Militär: der eine war Anfang der 60er zwei Jahre bei der Bundeswehr, der andere Anfang der 80er drei Monate bei der NVA. Die beiden Schriftsteller reden über ihre Erfahrungen mit Befehl und Gehorsam, Frühsport und Ordnung im Spind, doch trennt sie ein unüberwindbarer Graben: Was für den Ost-Intellektuellen traumatisch war, erlebte der Abiturient aus dem Westen als jugendliche Bewährungsprobe im Kontakt mit dem einfachen Volk.

Während sich der Gefreite Nadolny abends in den umliegenden Kneipen vom Kasernenhofdrill erholte und dazu seine Uniform ablegen durfte, verschwanden die Zivilklamotten von Genosse Sparschuh in der abgeriegelten Kleiderkammer. Bei den Soldaten, die nicht wie der Studierte Sparschuh nur drei Monate, sondern eineinhalb Jahre dienen mußten, wurden die eigenen Kleider sogar als Pakete nach Hause verschickt.

Abendlicher Ausgang wurde sowieso kaum genehmigt, die meiste Zeit ging Sparschuh abends pünktlich ins Bett. Als Promovierter mit Brille aus Berlin erlebte er bei der NVA Willkür und absolute Unterordnung. Im Unterschied dazu lauerte auf Nadolny, der als Abiturient zur Bundeswehr kam, kein Vorgesetzter, jederzeit bereit ihn zu erniedrigen, sondern höchstens ein Konflikt, in dem sich Soldaten und Offiziere gleichermaßen befanden: "der Gegensatz zwischen dem überall noch dünstendem Fußschweiß der autoritär geführten Weltkriegsarmee und den Idealbildern des demokratisch mitdenkenden Soldaten, des mitdenkenden Gehorsams".

Auf dieses spezifisch westdeutsche Problem antwortet Jens Sparschuh mit der ihm eigenen Ironie: "All das, was du von einem Demokratisierungsprozess und einer Rechtfertigung der Armee gesagt hast, mußte bei uns nicht geleistet werden, weil die Sache ja sowieso schon entschieden war: Die militärischen Kräfte stehen jenseits der Elbe - diesseits, im Bunde mit der Sowjetunion, ist das fortschrittliche Potenzial der Menschheit versammelt".

Hier reden zwei miteinander, die dies früher nicht gedurft und vielleicht auch nicht gekonnt hätten. Heute gelingt ihnen ein unterhaltsames Gespräch unter Freunden, in dem die Nostalgie des Westens ihren Platz hat genauso wie die ironische Distanz des Ostens zu seiner Vergangenheit.

Sten Nadolny, Jens Sparschuh, Putz und Flickstunde. Zwei kalte Krieger erinnern sich, Piper Verlag, München 2009, 224 Seiten,16,95 Euro, ISBN: 9783492052306

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