Autobiographien ehemaliger Politiker haben seit jeher Konjunktur: von Nelson Mandela über Bill Clinton bis Gerhard Schröder schrieben einige Staatsmänner jüngst ihre Lebensgeschichten nieder.
Und während aktuell Roman Herzog über seine "Jahre der Politik" resümiert, sind Joschka Fischers Memoiren ebenfalls für 2007 bereits angekündigt. Mit seiner "Überzeugungen" betitelten "politischen
Biographie" stellt Heinz Fischer dennoch eine Ausnahme dar - ist der Autor doch nicht im politischen Ruhestand, sondern noch bis mindestens 2010 österreichisches Staatsoberhaupt.
Roter Faden Politik
Im Vorwort wirft Fischer folgerichtig auch die Frage auf, ob es einem amtierenden Bundespräsidenten erlaubt sei, ein Buch zu veröffentlichen, dessen Inhalt über biographische Skizzen oder
offizielle Redebeiträge hinausgeht. Dies bejahend gibt der 1938 in Graz geborene Fischer einen Überblick über seine Jugend bis hin zur Gegenwart als Staatsoberhaupt in der Wiener Hofburg. Ob als
Mitarbeiter der Parlamentsfraktion, Abgeordneter, Präsident des Nationalrats, Wissenschaftsminister oder schließlich als Bundespräsident - die Politik durchzieht seinen Werdegang spätestens seit
den frühen 1960ern wie ein roter Faden. Der überzeugte Sozialdemokrat reißt in seiner Schrift die Themen Menschenrechte, Demokratie und Parlament, Kunst, Wissenschaft, Europa und Österreich an und
bekennt sich dabei zum Modell einer Marktwirtschaft, die soziale Grundsätze nicht aus dem Auge verliert. Weltpolitisch kann aus der Sicht des habilitierten Politikwissenschaftlers nur ein
internationaler Rechtsstaat dauerhaften Frieden gewährleisten. Fischer verbindet dies mit einem engagierten Plädoyer für die parlamentarische Demokratie als vielleicht nicht fehlerfreier, aber
dennoch bestmöglicher Staats- und Regierungsform.
Öffentliche Rede und Antwort
Bei seiner Vereidigung hatte Fischer versprochen, sich nicht in der Hofburg zu verschanzen, sondern stets öffentlich Rede und Antwort zu stehen. Dieses Versprechen löst er ein. Dennoch: So
legitim es ist als noch amtierender Mandatsträger eine "politische Biographie" vorzulegen, so unglücklich erscheint dies aus der Sicht des zeithistorisch interessierten Lesers: Die Chance, die
jüngste Geschichte der Zweiten Republik in der politischen Vita Fischers zu spiegeln, wird zu selten genutzt. Staatsmännisch-kluge Worte überwiegen. Auch ist der Aufbau des Buches mit
Interview-Kapiteln, historischen Redebeiträgen Fischers und aktuellen Kommentierungen dem Lesevergnügen nicht immer förderlich. Was bleibt ist eine kompakte und zugleich vielschichtige politische
Standortbestimmung des achten Bundespräsidenten der Alpenrepublik, die dem an Österreichs Politik Interessiertem einige Schmankerl bietet.
Will sich sein deutscher Amtskollege mit Fischer vergleichen lassen, so wird er sich steigern müssen. Zwar hat auch Horst Köhler mit "Offen will ich sein - und notfalls unbequem" (Hoffmann
und Campe, 2004) ein gefälliges Interview-Bändchen vorgelegt - Fischers "Überzeugungen" sind jedoch bereits dessen 19. Werk.
Robin Rüsenberg
Heinz Fischer (unter Mitarbeit von Alfred Reiter): Überzeugungen. Eine politische Biografie, Styria Verlag, Wien-Graz-Klagenfurt 2006, 366 S., ISBN-10: 3-222-13195-3
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