"Ich habe als Knirps den deutschen Soldaten die Daumen gedrückt und später für die Kämpfer der Sowjetarmee einen Kranz niedergelegt. Das "aufgezwungenen "Väterchen" Stalin habe ich gehasst
und doch bei seinem Tode geschluckt. Die sozialistische Lehre erschien mir durchaus nicht abwegig und doch habe ich das Leben im kapitalistischen Westen vorgezogen." - Sein Vorwort ist kurz und
knapp gehalten. Und sagt dennoch schon vieles über den Autor.
Hilmar Rauhe (geboren 1938) kommt gerade in die Schule, als der Zweite Weltkrieg vorbei ist. Er wächst in Mühlhausen auf. Mit den Augen des Schülers, später Azubis und schließlich Studenten
blickt er auf die Kriegsjahre und die Zeit im Osten, teilweise auch im Westen Deutschlands bis zum Bau der Berliner Mauer 1961. Es ist seine ehrliche, persönliche Sicht, die das Buch authentisch
macht. Hilmar Rauhe erzählt vom Alltag in einer Zeit, von der viele nur wenig wissen. Wie kommen die Kinder mit den Kriegserlebnissen klar und wie verkraften sie den Einmarsch der Russen? Was heißt
es Essen zu beschaffen statt zu spielen?
Weil er nicht studieren darf, absolviert Rauhe eine Maurerlehre beim VEB Bau Mühlhausen. Wie ergeht es ihm dort? Und was folgt auf die Freude, dann endlich das begehrte Lehrerstudium
(Mathe/Geografie) in Dresden aufnehmen zu können? Als Grenzgänger zur Verwandschaft wandelt er zwischen Ost und West. Was erwartet ihn im Westen und nach eigenmächtig verlängerten Aufenthalten bei
der Rückkehr in den Osten? Wie kommt er damit klar, dass seine Familie letztlich doch in den Westen geht? Und was führt später zum Entschluss, ihr zu folgen?
Das Raue erzählt wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Er springt von einem Ereignis zum anderen. Das macht es manches Mal schwer, ihm zu folgen. Entspricht andererseits aber durchaus dem
Denkverhalten eines Jungen und später Jugendlichen. Auch eine Prise Humor fehlt nicht: die "unfreiwillige Komik der feinsten deutschen demokratischen Art" (Rauhe). Und weil der Autor
sportbegeistert ist, wird dieses Stück Geschichte - ob Fußball, Radsport oder Tennis - immer wieder besonders liebevoll betrachtet.
Dagmar Günther
Hilmar Rauhe: "...ein weiterer Schlag gegen A.", V-V Verlag, Bergheim/Erft 2004, 236 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 3-9809216-7-0
(zzgl 1,45 Euro Versand zu beziehen auch beim Autor Hilmar Rauhe, Petunienweg 5, 50127 Bergheim)
0
Kommentare
Noch keine Kommentare