Kultur

Im Osten viel Neues

von Anina Kühner · 24. September 2012

Wie kann eine kompetente und faire Partnerschaft mit Asien aussehen? Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus dem Aufstieg Chinas – aber auch Indiens? Diese Fragen versucht Manfred Lahnstein mit seinem neuen Buch „Die asiatische Herausforderung“ zu beantworten, das er am Freitag in Berlin vorstellte.

„Es gibt keine spezifisch asiatische Werteordnung“, stellte Manfred Lahnstein bei der Vorstellung seines neuen Buches klar. Asien sei von Vielfalt geprägt. Nicht einmal innerhalb Chinas könne man von einer einheitlichen Kultur sprechen, betonte der ehemalige SPD-Finanzminister. Die Mehrheit wolle nicht den Weg der kommunistischen Führung gehen: „Wir sprechen hier nicht von ein paar Bürgerrechtlern, sondern von Millionen Menschen, die innerlich Abschied nehmen von den Einschränkungen durch ihr politisches System.“

Indiens stilles Wachstum

Lahnstein bemängelte zudem, dass der Fokus des Westens mit Blick auf Asien allzu oft auf China beschränkt bleibe. Gerade Indien werde aufgrund seines „stillen Wachstums“ vernachlässigt: „Es kann nicht sein, dass Indien bei einer Einwohnerzahl von 1,2 Milliarden Menschen im Weltsicherheitsrat die selbe Rolle einnimmt wie etwa Slowenien“, stellte Lahnstein klar. Schließlich sei das indische System wesentlich tragfähiger als das chinesische, alleine schon wegen seiner menschenwürdigeren und demokratischeren Ausrichtung.

Anstatt Asien, speziell China, permanent als Bedrohung zu betrachten, solle der Westen lieber auf eine Verständigung auf Augenhöhe setzen, erklärte Lahnstein. Erst wenn China sich als politisch gleichwertiger Partner Europas betrachten könne, wäre es möglich, dem Staat auch Verantwortung etwa für Umweltfragen zuzumuten. Er betonte: „Durch Ermahnungen unsererseits werden die Menschenrechte in China nicht an Bedeutung gewinnen.“. Diese Entwicklung käme aber voraussichtlich von selbst, weil die Bevölkerung sie längst befeuere.

Die neue Mittelschicht

Er räumte ein, dass selbstverständlich auch die Gefahren des großen asiatischen Komplexes zu berücksichtigen seien. Insbesondere in China und Indien entstehe eine wachsende Mittelschicht, deren Bedürfnis nach Ressourcen und Fortschritt enorm sei. Gerade mit Blick auf den Klima- und Umweltschutz sei diese Entwicklung bedenklich.

Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler, der in der Landesvertretung Hamburg in Berlin die Eckpunkte der „asiatischen Herausforderung“ mit dem Autor diskutierte, wies auf die entgegenlaufenden Entwicklungen der westlichen und fernöstlichen Wirtschaft hin: „Den Krisen des Westens steht der Boom der asiatischen Staaten gegenüber.“ Diskussionen über die Frage, ob daher das chinesische System zum Vorbild tauge, halte er allerdings für verfehlt. Er sei im Gegenteil der Ansicht, der wirtschaftliche Wohlstand werde China langfristig in eine liberalere Zukunft führen, bilanzierte Köhler. 

Dem stimmte Lahnstein zu: Die steigende Zahl junger Menschen in Asien berge zugleich Potenzial und Risiko. „Sie wollen in besseren Verhältnissen leben als die Generation vor ihnen, sie alle wollen Arbeit.“ Dass dieser Umstand zu Reformen führen könne, liege auf der Hand. Aber die Gefahr politischer Umstürze sei auch immer ein unkalkulierbares Risiko. Europa müsse sich schlicht von seiner statischen Betrachtung Asiens verabschieden, erklärte Lahnstein. Im Dialog sei eine faire und gleichberechtigte Zusammenarbeit möglich. Seine Bilanz: „Der Aufstieg des Ostens muss nicht mit dem Untergang des Westens verbunden sein.“

Info

Manfred Lahnsteins Buch „Die asiatische Herausforderung“ ist im Hoffmann und Campe Verlag erschienen und kostet 22,99 Euro.

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Anina Kühner

studiert Germanistik und Buchwissenschaften in Mainz. Im Sommer 2012 absolvierte sie ein Praktikum beim vorwärts.

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