Kultur

Im Land der Gottlosen

von Edda Neumann · 21. März 2009
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Moltke sammelte einen konspirativen Kreis von entschiedenen Gegnern des nationalsozialistischen Regimes um sich. Diese bürgerlich-zivile Widerstandsgruppe befasste sich überwiegend mit Plänen zur Neugestaltung Deutschlands nach dem Ende der Hitler-Diktatur. Nach der Verhaftung Moltkes 1944 löste sich der Kreis auf. Woraufhin sich einige Mitglieder der Gruppe um Stauffenberg anschlossen.
Die Gestapo deckte nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli die Aktivitäten der Gruppe auf und benannte sie nach Moltkes Gut "Kreisau" in Schlesien. Als "Kreisauer Kreis" hielt sie Einzug in die Geschichtsschreibung.

Werdegang eines Widerständlers

Moltke, geboren 1907, stammte aus einem mecklenburgischen Adelsgeschlecht. Von 1927 bis 1929 studierte er Rechts- und Staatswissenschaften in Breslau, Wien und Berlin. 1931 heiratete er Freya Deichmann. Vier Jahre später verzichtete Moltke darauf, Richter zu werden, weil er dafür in die NSDAP hätte eintreten müssen. Stattdessen wurde er Rechtsanwalt für Völkerrecht in Berlin. Auf diese Weise konnte er enteigneten und zur Ausreise gezwungenen Juden bzw. auch anderen Verfolgten helfen. Und nutzte darüber hinaus die Möglichkeit, Auslandsreisen zu unternehmen, um Kontakte zu pflegen. Bis 1938 hielt sich Moltke wiederholt in Großbritannien auf und absolvierte zugleich in London und Oxford die englische Ausbildung zum Rechtsanwalt.

Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im September 1939 wurde Moltke Mitarbeiter des Kaiser-Wilhelm Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Dort arbeitete er bis zu seiner Verhaftung in der völkerrechtlichen Abteilung der Amtsgruppe Ausland und Abwehr, dem geheimen Nachrichtendienst der Wehrmacht.

Tagebuch und Briefe


"Ich bin nun den vierten Sonntag hier und habe noch keine Kirchenglocke gehört. Die Sonntagsgeräusche unterscheiden sich von den Alltagsgeräuschen dadurch, dass das Hundegebell noch anhaltender ist und die Marschlieder den ganzen Vormittag füllen... Man fühlt sich so durchaus im Land der Gottlosen. Ich habe nie gedacht, dass das so spürbar wäre." So beschrieb Moltke einen Sonntag im Konzentrationslager. In seinem Tagebuch notierte er jedes noch so kleine Detail, das seinen sonst recht eintönigen Haftalltag unterbrach.

Um körperlich fit zu bleiben, zählte er die Schritte von einem Ende der Zelle zum nächsten und absolvierte tagtäglich kilometerlange Läufe. Für das geistige Wohlbefinden las er jeden Tag mehrere Stunden, erledigte weiterhin seine reguläre Arbeit und schrieb unzählige Briefe an seine Familie. Sein Tagebuch berichtet jedoch auch von langen Verhören, verzweifelten Momenten und der Angst um die Familie während der alliierten Bombenangriffe.

Die sehr persönlichen Dokumente führen vor Augen, wie Moltke als privilegierter Schutzhäftling im Konzentrationslager einerseits britische Parlamentsdebatten und die Londoner "Times" lesen durfte, andererseits jedoch immer stärker unter Druck gesetzt und schließlich zum Tode verurteilt wurde. Zugleich verdeutlichen sie, wie Moltke sich bis zum Schluss nicht aufgab und zumindest geistigen Widerstand gegen das NS-Regime leistete. Wie bereits die veröffentlichten "Briefe an Freya" zählen auch das Tagebuch und die Briefe aus der Haft als wichtige Zeugnisse zur deutschen Widerstandsliteratur.

Edda Neumann


Günter Brakelmann (Hrsg.): Helmuth James von Moltke: Im Land der Gottlosen. Tagebuch und Briefe aus der Haft 1944/ 45, C.H. Beck 2009, 350 Seiten, 24,90 Euro, ISBN-13: 978-3406582356.

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