Am Donnerstag geht beim Eurovision Song Contest in Kopenhagen Conchita Wurst für Österreich an den Start. Sie ist eventuell die umstrittenste, ganz sicher aber die überraschendste Teilnehmerin. Menschenrechte leben zu dürfen, sei immer noch nicht alltäglich. Darauf will sie hinweisen, erklärt sie im Interview.
Conchita Wurst: Hallo, meine Lieben.
vorwärts: Welche Anrede dürfen wir wählen? Conchita oder Frau Wurst?
Conchita Wurst: (lacht) Conchita wäre mir doch eher am liebsten.
Vielen Dank. - Conchita, wir hoffen natürlich, dass die Leserinnen und Leser des vorwärts alles tun werden, um Dich am kommenden Donnerstag aus Deutschland zu unterstützen. Welche Botschaft hast Du für die noch Unentschlossenen in Deutschland oder Weißrussland, bzw. in ganz Europa?
Ich würde mich natürlich über jede Stimme wahnsinnig freuen. Bei jedem Menschen, bei dem ich irgendwie Emotionen auslöse und ihn damit zum Anrufen animiere, freut es mich, seine Stimme zu bekommen.
(lacht) Prinzipiell möchte ich aber niemanden dazu zwingen, für mich anzurufen. Ich sage immer: Ich muss nicht geliebt, sondern akzeptiert werden.
Und so sehe ich das auch mit den Voting-Stimmen. Wenn ich sie in den Ohren des Zuhörers nicht verdient habe, dann ist es gerecht, für mich nicht anzurufen. Aber natürlich wäre ich sehr sehr dankbar für jede einzelne Stimme.
Ein Phönix muss verbrennen, um aus der Asche wieder aufzuerstehen. Was bedeutet dieser Mythos für Dich persönlich?
Natürlich besagt die Legende des Phönix, das er verbrennt und aus seiner eigenen Asche wieder aufersteht. Wörtlich muss man das natürlich nicht nehmen, aber das Wiederauferstehen, das Sich-Neu-Finden und das Neu-Orientieren ist fast etwas wie eine tägliche Herausforderung. Aber auf mein Lied bezogen geht es darum, dass alle Menschen die Situation kennen, durch schwierige Zeiten zu gehen und wieder aufzustehen und als besseres Ich hoffentlich mit vielem Neu-Dazugelernten weiterzumachen.
In Europa erleben wir zur Europawahl Ende des Monats vermutlich eine weit gestreute Zunahme konservativer und extrem rechter Kräfte und Parteien – zum ESC haben diese Kräfte gezielt gegen Deinen Auftritt mobilisiert. Woher kommt die Kraft und Ruhe, dies auszuhalten und mit einem Lied dagegen anzusingen?
Ich weiß es gar nicht. Mir wird immer nachgesagt, dass ich so wahnsinnig mutig wäre. Ich finde, wenn man zu sich selbst steht, bedarf es keines Mutes sondern einfach nur... (überlegt) - es bedarf eigentlich gar nichts (lacht). Es ist vor allem meine Natur. Deswegen erfordert es auch nicht viel Kraft oder Ruhe.
Es ist meine Art, auf diese Hasstiraden zu reagieren, die teilweise gegen mich aufploppen. Ich kann dazu nur sagen, dass ich dadurch vor allem immer wieder sehe, dass ich das richtige mache.
Und dass man auch im 21. Jahrhundert immer noch darauf hinweisen muss, dass Menschenrechte leben zu dürfen, immer noch nicht alltäglich ist.
Hast Du selbst eine Theorie, warum der ESC in den vergangenen Jahren zwar sowohl eine transsexuelle Siegerin haben konnte als auch mehrere Travestie-Auftritte – jetzt aber für viele durch einen kleinen und hübschen Bart anscheinend die Welt oder zumindest das Abendland untergeht?
(lacht) Vielen Dank für den „hübschen Bart“.
Aber nein! (lacht) Das ist tatsächlich nicht verständlich für mich. Ich finde es lächerlich. Weil der Bart ist ja echt. Aber er macht - was soll ich sagen? - einen minimalen Teil meines gesamten Daseins und Erscheinungsbildes aus. Es ist für mich immer unverständlich, wie jemand sich so auf etwas fixieren kann, was er offensichtlich nicht mag.
Vor allem aber, wie schon erwähnt: Man muss mich nicht lieben, aber akzeptieren muss man mich. Denn ich bin nun mal da und davon wird mich auch niemand abhalten.
Herzlichen Dank, Conchita, dass Du Dir die Zeit für uns genommen hast. Wir wünschen Dir für den Song Contest viel Erfolg!
Vielen, vielen Dank, meine Lieben, und bis bald.
*Thomas „Tom“ Neuwirth, Künstlername Conchita Wurst, ist ein österreichischer Sänger und Travestiekünstler.
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"Ich bin nun mal da und davon wird mich auch niemand abhalten" - Conchita Wurst für Österreich
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