Mariam Lau, die Chefkorrespondentin im Parlamentsbüro der "Welt" zögerte nicht mit der Antwort. Gleich zu Beginn ihres Vortrags erklärte sie: "Ja, die Union hat ihr Profil verloren." Um
sogleich, in Anlehnung an Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, den Nachsatz hinzuzufügen: "Und das ist auch gut so." Warum es ihrer Meinung nach gut ist, zeigte die Journalistin an
einigen Beispielen auf. Angela Merkel habe eine andere Kultur in die CDU gebracht. Als sie die CDU-Spitze übernommen habe, sei die Partei vom System Kohl angefressen gewesen. Die ehemalige
Bürgerrechtlerin aus dem Osten habe größere Offenheit ermöglicht und verstärkt innerparteiliche Diskussionsprozesse zugelassen.
"Mit Merkel alte Zöpfe abgeschnitten"
Nach Ansicht von Mariam Lau sind mit Merkels Wahl an die Parteispitze auch viele alte Zöpfe abgeschnitten worden. Hierfür nannte sie einige Beispiele. So habe sich die CDU lange über die
Abgrenzung zur 68er-Bewegung definiert. "Dies hat Merkel über Bord geworfen." Ferner habe die CDU jahrzehntelang geleugnet, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei. "Mit dieser Lüge hat Merkel
Schluss gemacht." Eine Kampagne, wie die Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, wie Roland Koch sie noch vor wenigen Jahren habe führen können, sei heute in der Union wohl
nicht mehr möglich, glaubt die Journalistin.
Union nach wie vor im Umbruch
Allerdings befinde sich die Partei nach wie vor im Umbruch. Ein Beispiel sei die Ernennung von Ursula von der Leyen zur Bundesfamilienministerin, was Merkel den verbitterten Hass der
Hausfrauen in der Union eingebracht habe. Für viele CDU-Frauen gelte die Ministerin, die Mutter von sieben Kindern sei und obendrein noch beruflichen Erfolg habe, als Feindbild, da sie nicht das
traditionelle Familienbild konservativer Kreise verkörpere.
Dieses Beispiel zeige, dass der Wandlungsprozess der CDU noch lange nicht abgeschlossen sei - und der Ausgang bleibe ungewiss. "Es gibt viele in der CDU, so auch einige Ministerpräsidenten,
die nur darauf warten, dass Merkel strauchelt", erklärte Mariam Lau. Derzeit sei es nur schwierig auszumachen, wohin die Reise wirklich gehe. "So lange die Bundeskanzlerin nicht richtig aus dem
Beutel kommt, ist es schwer zu sagen, was wirklich daraus wird."
Die derzeit beginnende Debatte über das neue CDU-Parteiprogramm könne hier jedoch mehr Klarheit bringen. "Ob es der gelernten Naturwissenschaftlerin Merkel gelingen wird, der Partei zu neuer
Aufbruchstimmung zu verhelfen, ist ungewiss." Zumindest habe sie als Bürgerrechtlerin aber einiges für Diskussionsprozesse übrig, meinte die Chefkorrespondentin der "Welt" abschließend.
Jürgen Dierkes
(Quelle: eigene Recherche)
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