Zwar hätten viele in der DDR "widersprüchliche" Erfahrungen gemacht, Solidarität, Unterdrückung, Stolz, Enttäuschung. Dieses differenzierte Bild konkretisieren die Autoren leider nicht,
sondern stellen fest, dass die DDR als brutale Willkürherrschaft funktionierte, die ihr kurzes Dasein sowjetischen Besatzungstruppen verdankt habe.
Stasi-Chef Erich Mielke brachte es auf den Punkt: "Hinrichten, wenn notwendig auch ohne Gerichtsurteil". Die Führungsriege der DDR, heißt es, versinnbildlichte Machtanspruch,
Unbarmherzigkeit, totalitäres Koma.
Darin erschöpfte sich das Alltagsleben der Menschen jedoch nicht. Hierzu gehörten auch familiäre Freuden und wechselseitige Hilfe. Viele schätzten das System der sozialen Sicherung.
Es gab Stolz auf Leistungen, die man unter schwierigen Bedingungen erbrachte. Kirche und private Gruppen boten gewisse Freiheiten; nicht immer war die Diktatur allgegenwärtig. Solche Aspekte
finden bei Knopp keine Beachtung.
Die Diktatoren beschreibt er treffend. Walter Ulbricht fehlten staatsmännische Eigenschaften. Er sei ein substanzloser "perfekter Apparatschik" gewesen und avancierte gerade deshalb. Bis zum
Tod des sowjetischen Diktators verehrte ihn Ulbricht bedingungslos. Als Chruschtschow jedoch Stalin kritisierte, habe Ulbricht erklärt, dass Stalin "kein Klassiker" des Marxismus/Leninismus sei.
Mielke und der saarländische Jungkommunist Honecker galten als "treue Parteisoldaten". Ohne das geringste intellektuelle Format, hätten sie skrupellos agiert und koppelten Effizienz mit
Kadavergehorsam.
Nach 1971 verschärften eine falsche Wirtschaftspolitik und sinkende Produktivität die Krise des Staates, aber Honecker verlor jeden Kontakt zur Wirklichkeit und habe es abgelehnt, die
Diktatur zu lockern, die er für legitimiert hielt, weil niemand zu hungern bräuchte.
Mielke, schrieb die Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, brachte das "wahre Gesicht" der DDR zum Ausdruck. Der zweifache Polizistenmörder besuchte Anfang der 30-er Jahre die Moskauer Leninschule,
organisierte während des spanischen Bürgerkriegs hinter der Front politische Säuberungen und lernte so das Handwerk des "Tschekisten".
Seit 1957 Minister für Staatsicherheit, schuf er eine monströse "Gesinnungspolizei", welche die Gesellschaft lückenlos kontrollieren sollte. Das häufigste Delikt war "staatsgefährdende
Hetze", Standardformel "jeder politischen Polizei", leider nicht nur in der DDR, wie man hinzufügen könnte.
Mielke habe kein Mitleid gekannt. Noch 1992 sagte er: "Sauberkeit war bei uns oberstes Gebot?. Wer über die Gesetze wachen will, der muss selbst rein sein".
Auch Honecker rührte das Schicksal der Mauertoten nicht. Während seines Prozesses beklagte er jene 25 "Genossen", die bei dem Dienst an der Grenze ihr Leben verloren hätten.
"Was ich bin, verdanke ich der DDR", glaubte Kati Witt. Die legendäre Eiskunstläuferin verdeutliche ein wichtiges Problem. Soll und darf man wegen der Karriere eine Diktatur rechtfertigen?
Witts Verhältnis zur SED-Obrigkeit sei zwiespältig gewesen; am Ende wurde auch sie von der Stasi beaufsichtigt.
Letztlich genügt es nicht, einzelne Personen, auch wenn sie mächtig waren, in den Blick zu nehmen. Ein Buch, das den Titel "Goodbye DDR" trägt, sollte nicht bloß drei sattsam bekannte
Biografien nacherzählen. Knopps Perspektive ist zu eng, um die Wirklichkeit der DDR angemessen zu beschreiben.
Rolf Helfert
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