Kultur

Geschlechterdemokratie – Irrweg oder Chance

von ohne Autor · 25. September 2007

Wie kommt es, dass Frauen heute oft abwehrend reagieren, wo es darum geht, die Interessen von Frauen durchzusetzen? Und warum herrscht insbesondere in der jüngeren Generation die Meinung vor, es komme nur auf die Einzelne oder den Einzelnen an, wie er oder sie in der Welt vorankomme? Sind die wesentlichen Ziele der Frauenbewegung umgesetzt? Und wenn ja, warum sind Frauen in höheren Positionen prozentual gesehen immer noch unterrepräsentiert?

Graue Theorie

Marion Heister, Jahrgang 1959, Autorin und Lektorin in Köln, geht diesen und damit verbundenen Fragen nach: in einem Buch, dessen Titel "Gefühlte Gleichstellung" bereits dazu geeignet ist, manchen jungen Mann in Rage zu bringen, der meinen mag, bei all den Gesetzen zur Gleichstellung und Förderung von Frauen selbst mittels mangelnder Beachtung diskriminiert zu werden.

Heister verweist auf Positionen wie die der Zeit-Journalistin Susanne Gaschke, des Medientheoretikers Norbert Bolz oder der ehemaligen Tagesschau-Sprecherin Eva Hermann. Die würden der Frauenbewegung vorwerfen, durch die Radikalität ihrer Ansprüche Familien- und Geschlechterbeziehungen beeinträchtigt zu haben. Im weiteren macht die Autorin jedoch deutlich, dass sie zwar auch bei der Frauenbewegung selbst Ursachen für deren gegenwärtigen Wirkungsmangel sieht (ein Zuviel an Opferhaltung etwa), doch weist sie ebenso deutlich darauf hin, dass notwendige gesetzliche Regulative zur Gleichstellung der Geschlechter nicht zur praktischen Gleichstellung geführt haben.

Heister macht darauf aufmerksam, dass die Abschaffung von Positionen des Wohlfahrtsstaates, wie sie etwa in der Hartz IV-Gesetzgebung zum Ausdruck kämen, insbesondere Frauen träfen. Sie weiß sich einer Meinung mit dem verstorbenen französischen Soziologie-Professor Pierre Bourdieux. Dieser attestiert der Gesellschaft kulturelle Mechanismen zur Verankerung männlicher Vorherrschaftsansprüche bereits im Kindesalter und findet Wertvorstellungen, die weibliche Arbeitswelten gegenüber den vorrangig männlichen herabstufen.

Zu prüfende Praxis

Die Autorin stellt Praxis-Modelle von Gender Mainstreaming und Geschlechterdemokratie auf den Prüfstand. Sie befindet, dass diese den wichtigen Bereich der Wirtschaft ausließen und häufig eher den bestehenden Zustand bemäntelten als änderten. Sehr interessant sind die Ausführungen zum Kind- Mutter-Verhalten und der späteren Steuerung dieses Verhaltens bei gleich- oder gegengeschlechtlicher Disposition. Kritisch beleuchtet sie den Stand deutscher Bildungspolitik in diesem Bereich.

Den neu eingeführten Begriff "Geschlechterdemokratie" hält die Autorin für wenig produktiv. Er lenke das Augenmerk weniger auf soziale als auf biologische Muster. Auch greife hier das demokratische Muster des Aushandelns von Interessengegensätzen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen kaum. Marion Heister deckt auf, wie das Gender Mainstreaming-Konzept im gesellschaftlichen Rahmen selbst zu einem Markt geworden ist, auf dem verschiedene Gruppen nunmehr von Frauen und Männern ihre Interessen geltend zu machen versuchen.



Dorle Gelbhaar


Marion Heister "Gefühlte Gleichstellung", Ulrike Helmer Verlag Königstein/ Taunus 2007, 146 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 978-3-89741-248-4

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