"Die Frage nach der mittleren Generation wird selten gestellt", machte Irina Mohr, Leiterin des "Forum Berlin" der FES, deutlich. Dennoch sei sie wichtig. "Denn diese Generation wird die
Zukunft bestimmen." Mit ihrem Beitrag zum "Tag der Deutschen Einheit" wolle die Eberstiftung einen Blick in die Vergangenheit werfen und gleichzeitig Zukunftsaussichten aufzeigen.
"Übermächtige Mutter" DDR
Diese sehen im Osten Deutschlands eher düster aus. "Die Zuversicht für eine gesicherte Zukunft ist in Ostdeutschland extrem niedrig", sagte Elmar Brähler, Psychologe an der Universität
Leipzig. Unter dem Titel "Einheitslust und Einheitsfrust" stellte Brähler die Ergebnisse von vier Studien vor, die sich mit der inneren Einstellung der mittleren Generation beschäftigen. "Die
meisten sind zufrieden mit der Vereinigung", so Brähler. Allerdings sei die Bejahung der Wende über die Jahre rückläufig. Eine besonders große Rolle spiele die hohe Arbeitslosigkeit. "Je weiter die
DDR zurückliegt, desto besser werden einzelne Aspekte bewertet."
"Ich habe die DDR immer nur als unangenehme übermächtige Mutter gesehen, die stets darauf achtet, dass man pünktlich zu Hause ist", sagte hingegen der Schriftsteller und Arzt Jakob Hein. Er
war als Vertreter der mittleren Generation eingeladen worden, um über deren Einstellungen und Ideen zu diskutieren. "Der Drang in die Politik zu gehen, ist in unserer Generation sehr schwach",
behauptete er.
Dieser Ansicht wollte der Journalist Gunnar Hinck nur bedingt zustimmen. Er sieht große Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. "In den neuen Ländern ist es viel einfacher, politisch
Einfluss zu nehmen", sagte er. Dies liege vor allem daran, dass hier die Politik nur von einer sehr schmalen Schicht "gemacht" werde. Viele Positionen würden zudem nicht nach einem Plan besetzt.
"Im Osten bestimmt oft der Zufall, wer Ministerpräsident wird", so Hinck.
"Wir brauchen alle"
Abgesehen davon machte Hinck eine "erfrischende Vielfalt an Karrieren in der ehemaligen DDR" aus. Hier säßen nicht nur Juristen und Politikwissenschaftler in den Parlamenten, wie dies im
Westen häufig der Fall sei. "Aber diese Tatsache wird nicht umgemünzt in eine fruchtbare Streitkultur", bedauerte er.
"In Mecklenburg-Vorpommern sind ganze Landstriche ohne politisches Führungspersonal" berichtete Mathias Brodkorb. Brodkorb ist Mitglied des Landtags in Schwerin. Er bedauerte, dass junge
Menschen durch diesen Mangel teilweise zu früh in Führungspositionen kämen. "Langfristiges Denken und Handeln ist für uns Junge schwerer."
Diesen Einwand wollte Henrik Enderlein, Professor an "Hertie School of Governance" nicht gelten lassen. "Wir schaffen es noch viel zu wenig, jüngere Menschen in Positionen zu bringen, in
denen sie etwas in die Hand nehmen und bewegen können", bedauerte er. Seine Konsequenz: "Wir brauche eine Elite." Diese Forderung stieß bei Mathias Brodkorb auf Ablehnung. Mecklenburg-Vorpommern
könne sich solche eine Diskussion nicht leisten. "Wir brauchen alle."
Mamke Kühl/Kai Doering
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