Schon bei der einfachen Suche im Internet wurde ihr deutlich: "Durch meine Bekanntheit hatte ich gar keine Chance, mich zu verstecken." Ein Therapeut macht ihr klar: Sie muss sich der Angst
stellen, um sie zu überwinden. Also macht sie sich mit einem Kamerateam in die rechte Szene auf, um den Leuten gegenüberzutreten, die ihr, der Afrodeutschen mit dem afrikanischen Vater, das Recht
auf Heimat hier in Deutschland absprechen. Und um ihre eigene Identität zu finden. Dabei rollt sie auch ihre eigene Lebensgeschichte auf. Von der deutschen Mutter und Großmutter in Kassel, die in
den sechziger Jahren nach Mos Geburt die Wohnung räumen mussten, weil die Vermieter kein Mischlingskind duldeten. Von dem ghanaischen Vater, dessen in Ghana einflussreiche Großfamilie die
Verbindung mit einer Weißen gleichermaßen ablehnte. Von familiären Problemen, Pflegefamilien, dem alltäglichen Rassismus in der Nachbarschaft und der Sehnsucht nach Familie, Geborgenheit,
Dazugehören, den Wurzeln, nach Heimat.
Geh hin, wo du herkommst
Sie liest über die Germanen, was sie in die Hände bekommt, über Herkunft, Lebensweise, Mythen und Glauben, von Tacitus "Germania" bis zu modernen Forschungsergebnissen. Der kleine Neonazi
Marcel, wegen Körperverletzung im Jugendknast, druckst eher verlegen herum, ihre Hautfarbe sei "eben der Nachteil", da solle sie lieber weggehen aus Deutschland. "Wo soll ich denn hin?" fragt
Asumang. Und er antwortet etwas ratlos: "Was weiß ich. Da, wo Ihr Papa ist."
Esoterisches Wurzelwerk
Mo Asumang macht sich tatsächlich mit ihrem Filmteam auf nach Ghana, auf der Suche nach ihren afrikanischen Wurzeln. Sie sucht ihren Vater und ihre afrikanische Familie auf. Sie macht
Bekanntschaft mit Animismus und Ahnenkult und zieht ein wenig gewagte Verbindungen zwischen spirituellen afrikanischen und germanischen Kulten, zu Kelten, Druiden, Hexen und heidnischen Priestern.
Sie besucht in Europa germanische Kultplätze und die SS-Ordensburg Wewelsburg, heilige Haine und die Externsteine, redet mit Wissenschaftlern, heidnischen Priestern, modernen Esoterikjüngern und
selbsternannten Göttinnen bei deren erstem Treffen im Gladstonbury, einem südenglischen Esoterikzentrum. Das alles mit entwaffnender Offenheit und ohne Besserwisserei, und wo die Esoterik überhand
zu nehmen scheint, genügt ein knapper Kommentar, um wieder Boden unter den Füßen zu gewinnen. So fragt Asumong im Gespräch mit dem Politologen und Experten für Migration und Minderheiten Professor
Ashkenasi: "Kann denn Spiritualität Menschen auf der Suche nicht auch helfen?" "Ihnen vielleicht, mir nicht. Ich bin da zu rational", antwortet der Professor trocken.
Ihrer scheinbar unerschütterlichen Naivität gelingt es sogar, einen gestandenen Routinier der rechten Szene wie den Hamburger Rechtsanwalt und NPD-Vorsitzenden Jürgen Rieger aus dem Konzept
zu bringen. Am Ende ihrer Recherche-Reise zu sich selbst kann Mo Asumang selbstbewusst ein Fazit ziehen: "Die Angst ist weg." "Ich habe meine Wurzeln gefunden, in Deutschland und in Ghana. Jetzt
kann ich aus beiden Kulturen schöpfen."
Mo Asumang hat ihren ungewöhnlichen, ebenso eindringlichen wie witzigem Film in den vergangenen Monaten an vielen Schulen in Deutschland vorgeführt und mit Schülerinnen und Schülern
diskutiert. Infos und Anmeldung unter:
www.roots-germania.com
Fotos: Dirk Bleicker
ist Mitarbeiter der vorwärts-Redaktion, Geschäftsführer a. D. des vorwärts-Verlags und ehemaliger Landesgeschäftsführer der SPD Hamburg.