Fritz Stern glaubte an Deutschland und Europa
Die Menschen in Deutschland und Europa haben Fritz Stern viel zu verdanken – der verstorbene Historiker aus den USA ist auch für ihre Freiheitsrechte eingetreten.
Trotz Emigration blickte Fritz Stern stets nach Europa
Im Deutschland der Weimarer Republik geboren, wurde Fritz Stern 1938 aufgrund seiner jüdischen Wurzeln von den Nationalsozialisten aus seiner Heimat Breslau vertrieben und emigrierte mit seiner Familie in die USA. Seine akademische Karriere begann er als Dozent an der New Yorker Columbia University und erhielt dort später eine Professur für Europäische Geschichte. Schon früh entwickelte sich ein Geist, der das Interesse für Deutschland und Europa trotz seiner bewegten Biographie nie verlor.
Überzeugter Visionär: Kulturpessimismus als Gefahr
Fritz Stern hatte immer den großen historischen Zusammenhang im Blick und ließ sich nie zu kurzsichtigen Prognosen hinreißen. Kultur und Politik sah er als eng miteinander verzahnt an und untersuchte beispielsweise in „The Politics of Cultural Despair“ (1963) den Kulturpessimismus als politische Gefahr. Dabei prägten ihn natürlich die Erfahrungen aus dem Nationalsozialismus und dessen wirkungsmächtiger Ideologie.
Deutschlands „zweite Chance“ in Freiheit
Unbeirrt hielt Stern an seiner Überzeugung einer „zweiten Chance“ Deutschlands nach dem Mauerfall 1989 fest. Er überzeugte Staatsoberhäupter wie Margaret Thatcher von der Notwendigkeit des Vertrauens in die junge Bundesrepublik, nicht zuletzt weil er mit einer beeindruckenden Weitsicht ein freies und modernes Europa anvisierte. Als erster ausländischer Staatsbürger hielt er am 17. Juni 1987 eine Rede im Deutschen Bundestag und verband seine Worte zu einem Plädoyer für Freiheit und Solidarität in Deutschland und Europa. Seine Verdienste für Völkerverständigung und die deutsch-jüdische Aussöhnung wurden 1999 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels in der symbolträchtigen Frankfurter Paulskirche gewürdigt.
Der Blick nach vorn zurück – Freiheit in Gefahr
In den letzten Monaten äußerte Stern sich oft betroffen über die aktuelle politische Lage in Europa und dem Erstarken des rechten Populismus. Für ihn muss es sich angefühlt haben, als würde sich die Geschichte wiederholen und die so schwer erkämpfte Freiheit leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Mit dem Tode Fritz Sterns verliert die Welt einen wichtigen Brückenbauer und politischen Denker. Seine Aufforderungen, aus der Geschichte zu lernen und die Freiheit zu lieben, bleiben uns erhalten.
ist stellvertretender SPD-Vorsitzender sowie Fraktions- und Landesvorsitzender der SPD in Hessen. Er ist Vorsitzender des Kulturforums der Sozialdemokratie.